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Eskalation der Gewalt in Michoacán

Tote und Verletzte bei Anschlägen und Schießereien. Armee verstärkt Präsenz in der mexikanischen Unruheprovinz

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Paramilitärischer Selbstschutz: Mitglied einer Bürgerwehr in Michoacán
Paramilitärischer Selbstschutz: Mitglied einer Bürgerwehr in Michoacán

Apatzingán, Mexiko. Ein neue Welle gewalttätiger Auseinandersetzungen mit Schießereien und Brandanschlägen hat am vergangenen Wochenende den mexikanischen Bundesstaat Michoacán heimgesucht. In der Kreisstadt Apatzingán feuerten Unbekannte auf eine Demonstration der Policía Comunitaría. Bei Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern dieser Bürgerwehr mit Angehörigen des Drogenkartells der "Tempelritter" wurden vier Personen verletzt, eine davon schwer. Mehrere Autos gingen in Flammen auf. Die Policía Comunitaría in Apatzingán geht paramilitärisch gegen die "Tempelritter" vor, der zahlreiche Fälle von Erpressungen und Entführungen zur Last gelegt werden. Das Kartell verbreitet Angst unter den Einwohnern der Stadt und versucht, von hier aus die umliegende Region unter Kontrolle zu bringen. Die Präsenz von Soldaten und Bundespolizei in Apatzingán wurde zuletzt massiv verstärkt.

Die Streitkräfte sperrten die wichtigsten Zufahrtsstraßen in die Stadt, um beide Gruppen dort festzuhalten. Außerdem versuchte das Militär, Waffen der Bürgerwehr zu konfiszieren, wobei es zu Schusswechseln kam. Am Montag wurden an verschiedenen Orten in Michoacán Elektrizitätswerke angegriffen und sechs Tankstellen angezündet. Tausende Haushalte waren über Stunden ohne Strom. In Medienberichten werden die Taten sowohl der Policía Comunitaría als auch den kriminellen Organisationen zugesprochen. Der Sprecher der Bürgerwehr in der Region La Ruanda, Hipólito Mora, bestritt jede Verantwortung seiner Organisation dafür. Solche Anschläge seien ein Mittel der organisierten Kriminalität, um die Policía Comunitaría und die Einwohner einzuschüchtern.

Am vergangenen Montag griff die Armee in Michoacán ein. Soldaten rückten in die Stadt Lázaro Cárdenas am Pazifik ein und besetzten die dortigen Hafenanlagen, um die "öffentliche Sicherheit und den Handel zu gewährleisten", wie der Sprecher des mexikanischen Sicherheitskabinetts, Eduardo Sánchez, erklärte. Lázaro Cárdenas ist einer der wichtigsten Umschlagplätze des Landes. Auch für für die Einfuhr von Chemikalien zur Drogenherstellung ist der Hafen von großer Bedeutung.

In Michoacán konkurrieren die Syndikate "Jalisco Nueva Generación", "Los Zetas" sowie "La Familia Michoacana" mit den Tempelrittern um die Vorherrschaft. Die produktive Landwirtschaft und der Zugang zum Meer machen die Region attraktiv für das organisierte Verbrechen. An zahlreichen Orten haben sich Bürgerwehren gegen die Drogenkartelle gebildet. Die Mitglieder dieser Selbstschutzorganisationen werden sowohl von den Drogenbanden wie auch von mit diesen zusammen arbeitenden Lokalpolitikern bedroht. Der Arzt José Mireles, Vorsitzender des Zentralrats der Bürgerwehren, machte unlängst ein Video mit Morddrohungen gegen ihn öffentlich. Er initiierte auch einen Aufruf an die Interamerikanische Menschenrechtskommission, die Menschenrechtslage in Michoacán vor Ort zu untersuchen.

Der dramatischen Lage in dem mexikanischen Bundesstaat gibt auch ein offener Brief des Bischofs von Apatzingán, Miguel Patiño, vom 15. Oktober Ausdruck, der die völlige Abwesenheit des Rechtsstaates, von Sicherheit und den Frieden in der Region beklagt. Patiño sieht Michoacán als gescheiterten Staat im festen Griff der Drogenkartelle. Der Geistliche appellierte an die politisch Verantwortlichen, Schritte "zur Wiederherstellung des Rechtsstaats" zu unternehmen. Ebenso wie Miguel Patiño äußerte auch der Erzbischof der Dioziöse von Michoacán, Alberto Suaréz Inda, Verständnis für die Selbstorganisation der Bürger. Die Kirchenmänner fordern, Investitionen zu fördern, um in der Region  Ausbildungs- und Arbeitsplätze für junge Leute zu schaffen.

Im mexikanischen Kongress weisen sich die Abgeordneten von Opposition und Regierung gegenseitig die Schuld für die Eskalation in Michoacán zu. Sprecher der gemäßigt linken PRD machen die PAN, die Partei des früheren Präsidenten Felipe Calderón, für die nicht enden wollende Gewaltspirale verantwortlich. Calderón hatte 2006 den sogenannten Drogenkrieg in Michoacán gestartet. Die Opposition wirft auch der regierenden PRI und dem ihr angehörenden Gouverneur des Bundesstaates, Fausto Vallejo Figueroa, vor, politisch versagt zu haben und die Situation in Michoacán nicht zu kontrollieren.