Venezuela / Politik

Venezuela: Kongress der regierenden sozialistischen Partei

Delegierte diskutierten Erhöhung der Benzinpreise, Umbau der Staatsunternehmen, weitere Verstaatlichungen und die Abschaffung der Devisenkontrollen

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Am Montag vom Abschlussplenum als Parteivorsitzender bestätigt: Venezuelas Präsident Nicolás Maduro. Er wurde zudem ermächtigt, den gesamten Vorstand zu besetzen
Am Montag vom Abschlussplenum als Parteivorsitzender bestätigt: Venezuelas Präsident Nicolás Maduro. Er wurde zudem ermächtigt, den gesamten Vorstand zu besetzen

Caracas. Die erste Sitzungsrunde des vierten Kongresses der regierenden Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) ist am Montag nach drei Tagen intensiver Debatten zu Ende gegangen. Er war am 28. Juli, dem 64. Geburtstag des 2013 verstorbenen Parteigründers Hugo Chávez eröffnet worden.

Der Kongress fand in einem zunehmend schwierigen Kontext inmitten einer einbrechenden Wirtschaft, Hyperinflation, internationalen Finanzsanktionen und einer bevorstehenden Währungsumstellung statt. Zudem setzen chavistische Basisgruppen seit einigen Monaten die Regierung mit Protestaktionen unter Druck: Ein Streik im Gesundheitssystem dauert an, staatliche Elektroarbeiter sind im Bummelstreik, ein Marsch von Kleinbauern ist auf dem Weg in die Hauptstadt.

Die 670 Delegierten diskutierten Schlüsselthemen wie die Änderung der Devisenkontrollen, die Nachhaltigkeit staatlicher Subventionen insbesondere für Benzin und eine produktive Umstrukturierung der staatlichen Industrien.

Zu einer heftigen Debatte zwischen den verschiedenen Tendenzen innerhalb der Partei kam es über die Lösung der wirtschaftlichen Probleme, wobei Präsident Nicolás Maduro zur "Selbstkritik" aufforderte. Theoretisch ist der Kongress auch eine Gelegenheit für Basisbewegungen, hochrangigen PSUV-Fünktionären die Bedingungen des alltäglichen Lebens zu verdeutlichen. Vielen von ihnen wird vorgerworfen, den Bezug zu solchen Realitäten verloren zu haben.

Einige, aber nicht alle Führungsmitglieder der PSUV haben Maduros Forderung nach Selbstkritik angenommen und damit den Weg für eine konstruktive Debatte über Möglichkeiten einer effizienteren Regierungsarbeit geebnet. So hat Freddy Bernal, Mitglied der Parteiführung, den offiziellen Diskurs, der einen von Washington geführten Wirtschaftskrieg für die Mehrheit der aktuellen Probleme verantwortlich macht, hinterfragt : "Wir sind seit neunzehn Jahre in einer Revolution, nur wir sind für das Gute und das Schlechte verantwortlich", sagte er.

Während des Kongresses äußerten sich zahlreiche führende Parteimitglieder via Twitter zu den Diskussionsthemen. Die für den Strafvollzug zuständige Ministerin Iris Varela schrieb etwa : "Eine Erhöhung der Benzinpreise ist notwendig, ebenso wie eine Subventionierung nur für die, die darauf angewiesen sind. Genug der Finanzierung der parasitären Oligarchie und der Schmuggler, kein kostenloses Benzin mehr für [die rechtsgerichtete Politikerin] Maria Corina [Machdao], Lorenzo Mendoza [führender venezolanischer Industrieller]". Vizepräsident Aristobulo Isturiz sprach sich dafür aus, dass die Strukturen der kommunalen Selbstverwaltung mehr Macht bekommen und "ein kommunaler Staat aus diesem Kongress hervorgehen soll".

Mehrere Arbeitsgruppen bildeten den Rahmen für die Debatte, deren Ergebnisse in eine Plenarsitzung am Montag eingingen. Die erarbeiteten Vorschläge sollen dann in den nächsten 30 Tagen weiter diskutiert werden.

Die PSUV hält ihren Kongress alle vier Jahre ab. Die Partei regiert derzeit 303 der 335 Gemeinden, 19 der 23 Teilstaaten, stellt fast die gesamte verfassunggebende Versammlung, 31 von 167 Sitzen im Parlament und die Präsidentschaft der Republik.

Die Delegierten wurden von den 14.000 Parteizellen, den Bolívar-Chávez Kampfeinheiten gewählt. Amtsträger waren ausgeschlossen. Laut den Vorbereitungsdokumenten mussten alle Delegierten "Sozialisten, Bolivarianer, Chavisten, Antiimperialisten, Antikapitalisten, Humanisten, Umweltschützer und Feministen" sein. Das Auswahlverfahren verlief weitgehend reibungslos, aber es gab einige Beschwerden. So soll es Unregelmäßigkeiten in El Vigia im Bundesstaat Mérida gegeben haben, wo der örtliche Parteivorsitzende Rodolfo Zerpa erzwang, dass die gewählte kommunale Aktivistin Edith Guerrero ersetzt wird.

24 ausländische Gäste begleiteten den Kongress. Anwesend waren Vertreter der Kommunistischen Parteien aus Kuba, China, Portugal, Brasilien, Chile und andere verbündete Parteien aus Panama, Mozambique, Spanien, Guinea Bissau, Guatemala, Paraguay, Dominikanische Republik, Kolumbien, El Salvador, Nicaragua, Peru, Argentinien, Südafrika und Palästina.

Maduro hatte auch Bündnispartner aus dem chavistischen "Großen Patriotischen Pol" eingeladen, Ideen von außerhalb der PSUV würden berücksichtigt, versicherte er. "Die Kommunistische Partei schlägt vor, die Wirtschaft des Landes auf revolutionäre Weise zu nationalisieren und dies ist nicht abgelehnt worden, sondern wird untersucht".

Der PSUV-Kongress fand statt, während der Protestmarsch der Bauern sich nach 435 Kilometern der Hauptstadt nähert. Er soll die Aufmerksamkeit des Präsidenten auf gravierende Probleme auf dem Land lenken. Der Marsch hat große Unterstützung von linken Basisbewegungen und politischen Parteien wie der kommunistischen und den Tupamaros erhalten. Dagegen haben sich nur einzelne Mitglieder der PSUV dafür ausgesprochen. Der Druck auf Maduro nimmt indes zu, die Bauern zu empfangen und ihre Vorschläge anzuhören, er hat sich aber bislang nicht festgelegt.

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