Costa Rica legalisiert gleichgeschlechtliche Ehe

Erste Trauung um kurz nach Mitternacht. Nach Jahren des Kampfes Erleichterung in der LTGBI-Community. Gesellschaft ist jedoch weiterhin stark polarisiert

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Live in den sozialen Netzwerken zu sehen: Daritza Araya und Alexandra Quirós ließen sich am 26. Mai kurz nach Mitternacht als erstes gleichgeschlechtliches Paar in Costa Rica trauen.
Live in den sozialen Netzwerken zu sehen: Daritza Araya und Alexandra Quirós ließen sich am 26. Mai kurz nach Mitternacht als erstes gleichgeschlechtliches Paar in Costa Rica trauen.

San José.  Am 26. Mai ist die erste gleichgeschlechtliche Ehe in der Geschichte Costa Ricas geschlossen worden. Wenige Minuten nach Inkrafttreten des Gesetzes, das die zivilrechtliche Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnet, gaben sich Daritza Araya und Alexandra Quirós das Jawort. 15.000 Menschen folgten der Eheschließung im Livestream, darunter Michelle Bachelet, UN-Hochkommissarin für Menschenrechte und ehemalige Präsidentin Chiles. Mit dem Ende der Privilegierung heterosexueller Paare ist vorerst ein Kampf gewonnen, der das Land in den letzten Jahren schwer polarisiert hat.

Am Ende war die Euphorie und Erleichterung der LTGBI-Community und der progressiven Kreise des Landes groß. Marco Castillo, bekannter Anwalt und schwuler Aktivist, heiratete noch am Dienstag seinen langjährigen Lebensgefährten und kommentierte: "Dieser Ring steht für das, was wir von jetzt an leben werden, was sich nicht groß von dem unterscheidet, was wir gelebt haben, aber jetzt vom Staat unterstützt wird." Wenige Stunden zuvor sprach der sozialliberale Präsident Carlos Alvarado von einer "sozialen und kulturellen Transformation", die die neue Gesetzeslage bewirken werde. "Heute feiern wir die Freiheit, die Gleichheit und die demokratischen Institutionen", twitterte Alvarado.

Die Ehe für alle war eines der Wahlkampfversprechen Alvarados. Mitten in den Präsidentschaftswahlkampf fiel am 9. Januar 2018 die Antwort des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte (IDH) auf eine Anfrage der noch amtierenden costa-ricanischen Regierung unter Alvarados Parteikollegen Luis Guillermo Solís. Der Gerichtshof urteilte, dass die Amerikanische Menschenrechtskonvention eine Gleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Paare vorsieht. Costa Rica und de facto alle Staaten, die den Gerichtshof anerkennen, müssten somit jegliche Diskriminierung dieser Paare beenden.

Das Urteil polarisierte den Wahlkampf in dem mittelamerikanischen Land und ließ alle bisher dominierenden Themen in den Hintergrund treten. Der größte Befürworter und der größte Gegner des IDH-Urteils schafften es in die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen: der heutige Präsident und der evangelikale Prediger Fabricio Alvarado.

Eineinhalb Jahre nach dem Amtsantritt von Carlos Alvarado, nach heftigen Widerständen der konservativen Kreise des Landes und Beratungen in Parlament und Gerichten, ist die Ehe für alle nun Realität. Der Präsident, der mit miserablen Umfragewerten zu kämpfen hat, versucht, das als Erfolg seiner Regierung zu verkaufen.

Die Anwältin, Menschenrechtlerin und bisexuelle Aktivistin Larissa Arroyo Navarrete kritisiert diese Vereinnahmungen scharf: "Diese Feier ist kein Verdienst der Regierung! Außerdem erkennt der costa-ricanische Staat unsere Rechte nicht aus eigenem guten Willen an, sondern aufgrund des Kampfes vieler Menschen über viele Jahrzehnte." Arroyo hatte als Anwältin zwei costa-ricanische Frauen vor der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte (CIDH) vertreten. Sie hatten gegen Costa Rica geklagt, weil ihnen trotz Schwangerschaftskomplikationen Abtreibungen untersagt wurden. Am 12. Dezember 2019 beschloss das Parlament ein Gesetz, das eine bisherige Gesetzeslücke schließt und Schwangerschaftsabbrüche bei gesundheitlicher Gefährdung der Mutter erlaubt.

Während der Präsidentschaft Alvarados sind somit zwei sozialprogressive Gesetze verabschiedet worden, die die Kirchen und konservativen Kreise aufgebracht haben. Fabricio Alvarado kommentierte das Inkrafttreten der Ehe für alle mit: "Die Mehrheit der Bevölkerung feiert heute nicht, heute leiden wir unter dem Wirken einer kranken, korrupten und unheilvollen Partei, die sich nur für das Durchsetzen ihrer eigenen Ideologie interessiert."

So weist der Kolumnist Álvaro Murillo darauf hin, dass bei aller Freude ein bitterer Nachgeschmack bleibe: Die Ehe für alle ist nicht durch ein Referendum oder auf Parlamentsentscheidung hin legalisiert worden, sondern aufgrund eines Richterspruchs. Auch unterstützt laut Umfragen nur ein Drittel der Bevölkerung die Reform.