UN-Menschenrechtskomitee: Kolumbien muss Mord an Gewerkschafter aufklären

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Kollage von Sinaltrainal zum Urteil in Genf
Kollage von Sinaltrainal zum Urteil in Genf

Genf. Das Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen in Genf hat den kolumbianischen Staat verurteilt, weil er die Auftraggeber des Mordes an dem Gewerkschafter Adolfo Múnera nicht ermittelt hat. Er habe es zudem versäumt, Múneras Recht auf Leben zu schützen.

Múnera arbeitete seit 1983 in einem Abfüllbetrieb von Coca Cola in Barranquilla an der Karibikküste und war im Vorstand der Lebensmittelgewerkschaft Sinaltrainal (Sindicato Nacional de Trabajadores de la Industria de Alimentos). Er wurde am 31. August 2002 beim Verlassen des Hauses seiner Mutter getötet. Zwar wurde der Täter, Adolfo Cantillo, gefasst und zu 17 Jahren Haft verurteilt, aber es gab nie strafrechtliche Untersuchungen über die Hintermänner. Das Solidaritätskomitee mit den politischen Gefangenen (CSPP) und das Centro Europa – Tercer Mundo (CETIM) in Genf erstatteten deshalb im Namen der Familie Múnera und der Gewerkschaft Sinaltrainal 2015 beim UN-Menschenrechtskomitee Anzeige.

"Der kolumbianische Staat [...] erkannte zwar an, dass der Mord an Adolfo Múnera politisch motiviert war, ermittelte jedoch nicht diejenigen, die den Mord mutmaßlich befohlen hatten, einschließlich der möglichen Verantwortung des multinationalen Unternehmens Coca-Cola, das öffentlich wegen Verbindungen zu paramilitärischen Gruppen angeprangert worden war", so das Urteil des Komitees.

Nach Angaben von Sinaltrainal "wurden bis zum Jahr 2004 neun bei Coca Cola beschäftige Gewerkschafter ermordet, vier von ihnen als Vergeltung für Gewerkschaftsforderungen; 38 Arbeiter mussten aus ihren Städten fliehen und 67 wurden Opfer von Morddrohungen".

Das Menschenrechtskomitee ordnete zudem an, dass die Behörden innerhalb von 180 Tagen Informationen über die getroffenen Maßnahmen zur Aufklärung der Ermordung an dem Gewerkschaftsführer vorlegen muss. Außerdem müssten sie die Familie Múnera über die Ergebnisse der Ermttlungen detailliert informieren und ihnen eine angemessene Entschädigung zukommen lassen, auch zur Deckung der Kosten des Rechtsstreits.

Múnera hatte mehrfach staatliche Schutzmaßnahmen gefordert, weil er von paramilitärischen Gruppen bedroht wurde. Dies hatten zugenommen, nachdem 1997 ein Strafverfahren gegen ihn wegen angeblicher Mitgliedschaft in der Guerilla "Nationale Befreiungsarmee" (ELN) eingeleitet wurde. Das Verfahren wurde zwar zwei Jahre später mangels Beweisen eingestellt, die Bedrohungen und Einschüchterungsversuche hielten jedoch an, die Familie musste mehrmals die Stadt verlassen.

Am 19. Mai 2020 hat das Komitee nun festgestellt, dass der kolumbianische Staat die Art. 2, Abs. 3, und Art. 6, Abs. 1, des Internationalen Abkommens über zivile und politische Rechte verletzt hat. In der Zeit des Mordes an Múnera seien in der Karibikregion viele Gewerkschafter getötet worden, daher sei von der Existenz "intellektueller Täter" auszugehen gewesen, was von der Justiz aber nicht untersucht wurde.

Das Urteil betont die Pflicht eines Staates, "effektive rechtliche Mechanismen bereit zu halten und die administrativen und normativen Instrumente zum Schutz des Lebens anzuwenden". Dies gelte vor allem, wenn es sich um besonders gefährdete Personen handle, etwa wegen Drohungen oder Gewaltanwendung in ähnlichen Fällen. Wesentlicher Bestandteil des Rechts auf Leben sei zudem, dass der Staat die Verantwortlichen juristisch zur Verantwortung ziehe und bestrafe.

Javier Correa von Sinaltrainal begrüßte bei einer Pressekonferenz das Urteil und erklärte, es sei "ein Instrument, um den Kampf als Gewerkschaft, aber auch den bewundernswerten Kampf von Adolfos Familie fortzusetzen und neue Hoffnung zu wecken". Franklin Castañeda, Vorsitzender des CSPP und einer der Anwälte des Falles bei der UNO, hofft auf eine Signalwirkung: Wenn der kolumbianische Staat aktuelle Fälle von Morden an sozialen Führungspersonen nicht umfassend aufkläre, könne er international erneut verurteilt und gezwungen werden, die Untersuchungen neu aufzurollen und Wiedergutmachung zu leisten.