El Salvador / Politik

Bukele in El Salvador: neue Ideen oder Rückkehr zum autoritären Staat?

Zwei Jahre Präsidentschaft im Parlament inszeniert. Freie Berichterstattung beeinträchtigt. Opposition kritisiert Doppelmoral der Regierung

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Abgeordnete kommen Bukeles verfassungswidriger Aufforderung zum Schwur nach
Abgeordnete kommen Bukeles verfassungswidriger Aufforderung zum Schwur nach

San Salvador. Am 1. Juni hat Präsident Nayib Bukele zum zweiten Jahrestag seiner Amtszeit seinen Rechenschaftsbericht im Parlament vorgetragen. Bukele machte in seiner Rede deutlich, dass er die Macht weiter konzentrieren wolle. Es gab regelmäßig Applaus und Zustimmung von sympathisierenden Abgeordneten. Neben den Parlamentsabgeordneten nahmen an dem Festakt weitere geladene politische Vertreter:innen teil. Darunter der Bürgermeister von San Salvador, Mario Durán, der chinesische Botschafter Ou Jianhong und die Stabschefin Carolina Recinos. Recinos Name war kürzlich auf einer Liste zentralamerikanischer Beamter aufgetaucht, die vom US-Außenministerium als korrupt eingestuft wurden.

Dies war der dritte Auftritt des Präsidenten im Parlament. Nach seinem ersten Besuch kurz nach Amtsantritt am 3. Juni 2019 folgte am 9. Februar 2020 auf seinen Befehl die national wie international kritisierte Besetzung des Parlaments durch Polizei und Militär, um einen anstehenden Parlamentsentschluss über Finanzmittel zur inneren Sicherheit zu beeinflussen. Den Jahresbericht im Juni 2020 umging Bukele mit der Begründung, die Umstände der Corona-Pandemie abwarten zu wollen.

Während des Aktes feierte Bukele den Wahlsieg seiner Partei "Neue Ideen" (Nuevas Ideas) bei den Parlamentswahlen im Februar, wo diese mit einer historischen Mehrheit 55 Sitze gewann. Er lobte den aus seiner Sicht vorbildlichen Umgang El Salvadors mit der Corona-Pandemie. Zudem sprach er über andere seiner umstrittenen Projekte wie das Tourismusvorhaben "Surf City". Mit einer Geste in die Ecke, in der die Abgeordneten der oppositionellen Nationalistischen Republikanischen Allianz (Arena) und der Nationalen Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) saßen, warf er diesen Parteien Geschäfte mit Kriminellen und Korruption vor. "Wir werden nie wieder zu dem System zurückkehren, das uns zwei Jahrhunderte lang Kriminalität, Korruption, Ungleichheit und Armut gebracht hat. Nie wieder. Machen wir uns keine Illusionen. Solange Gott mir Kraft gibt, werde ich das nicht zulassen […]. Es geht darum, eine echte Demokratie zu konstruieren", fügte Bukele hinzu. Die internationale Kritik wegen der Entlassung von Richtern des Obersten Gerichtshofes und des Generalstaatsanwaltes wies er erneut zurück und verteidigte den von vielen als Staatsstreich bewerteten Akt vom 1. Mai 2021. Durch die Neubesetzung der Richterposten hatte Bukele sich nach der großen Mehrheit im Parlament auch weitgehend die Kontrolle der Judikative gesichert.

In einem Artikel des lateinamerikanischen Nachrichtenportals Nodal werden die vergangen zwei Jahre unter Bukeles Regierung als eine Rückkehr in ein autoritäres Altregime zusammengefasst, das Dissidenten unterdrückt. Die "Neuen Ideen" - in Anlehnung an den Parteinamen - würden einigen dunklen Episoden aus der Vergangenheit des Landes ähneln, heißt es weiter. In den zwei Jahren seiner Regierung habe Bukele den bewaffneten Kräften des Landes eine politische Rolle (zurück-)gegeben, wie sie sie seit den Friedensabkommen von 1992 nicht mehr hatten.

Nach Schilderungen der Zeitung Factum überließ das Parlament unter seinem Vorsitzenden Ernesto Castro (Nuevas Ideas) am Abend des 1. Juni alles dem Präsidenten: "Die Logistik, das Gelände, den Zeitplan und sogar ihre Loyalität. Was ursprünglich eine Rechenschaftspflicht sein sollte, gipfelte zum Erstaunen aller Vertreter des diplomatischen Korps in einem Eid der Parlamentarier auf den Präsidenten." Die Veranstaltung wurde um 20 Uhr im staatlichen Fernsehen übertragen.

Bukele prägte den Ablauf der Zeremonie. Angelica Cárcamo, Präsidentin des Verbandes der Journalisten von El Salvador (APES), beklagte, dass die geladene Presse nach Ende der Rede nicht wie gewohnt in den Parlamentsraum treten durfte, um Reaktionen von Abgeordneten zu erhalten, sondern gebeten wurde, den Raum zu verlassen. Abgeordnete der FMLN meldeten sich nach Bukeles Erklärung selbst zu Wort und kritisierten die "Doppelmoral des Präsidenten sowie seine Missachtung der Verfassung". Obwohl deren Artikel 125 besagt, dass die Abgeordneten keinem aufgezwungenen Mandat unterworfen werden dürfen, hatte Bukele die Abgeordneten seiner Partei dazu aufgerufen, aufzustehen, die Hand zu erheben und zu schwören, den Kampf gegen den "ideologischen Apparat und die Oligarchie" gemeinsam zu bestreiten.

Die Abgeordnete der FMLN Anabel Belloso stellte diese Äußerung in Frage. "Wir haben gesehen, wie er immer wieder mit Vertretern der Oligarchie und den Mächtigen der Wirtschaft des Landes zusammen saß […]. Es ist Zeichen einer Doppelmoral, diese Rede zu halten und in der Praxis das Gegenteil zu machen", sagte sie. Zudem beklagte Belloso die steigenden Staatsschulden, die u.a. durch Beschlüsse des Parlaments gebilligt werden. In 25 Tagen habe das Parlament bisher Neuverschuldungen in Höhe von rund 3,4 Miliarden US-Dollar bewilligt. Über die genaue Verwendung der Gelder fehle es an Transparenz, Verwendungsnachweisen sowie Ergebniskontrollen.