Massenproteste in Argentinien: Inflation frisst Löhne und Renten auf

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Unter den Organisatoren der großen Proteste ist auch der Gewerkschaftsdachverband CGT
Unter den Organisatoren der großen Proteste ist auch der Gewerkschaftsdachverband CGT

Buenos Aires. Die Proteste gegen die Einkommenssituation von breiten Teilen der Gesellschaft aufgrund der Inflation nehmen in Argentinien weiter zu.

Am 17. August zogen hunderttausende Demonstranten in Buenos Aires zum Parlament. Aufgerufen hatten Gewerkschaftsverbände und verschiedene politische und soziale Organisationen. Sie fordern die Anpassung von Löhnen, Renten und Sozialhilfen an die Inflation.

Eine gemeinsame Erklärung der Führungen der drei größten Gewerkschaftsverbände verlangte tiefer greifende Maßnahmen gegen die Inflation und den Verfall der Reallöhne und nicht nur konjunkturelle Lösungen, sowie ein dezidiertes Vorgehen gegen Spekulanten und oligopolistische Preisbildner.

Die Demonstration richtete sich nicht explizit gegen die Regierung, forderte von ihr jedoch eine "entschiedene Politik zugunsten der schwächeren Teile der Gesellschaft und gegen die konzentrierten Wirtschaftsgruppen". Es wurden auch erneut Forderungen laut, die Zahlung des von der Regierung Mauricio Macris illegal aufgenommene IWF-Kredits einzustellen.

Die Woche zuvor fand ein 24-stündiges Protestlager auf dem Plaza de Mayo vor dem Präsidentenpalast statt, organisiert von den Piqueteros, linksgerichteten Organisationen ohne Parteizugehörigkeit, in denen überwiegend Arbeitslose und informelle Arbeiter vertreten sind. Sie reichten ein Schreiben beim Wirtschaftsministerium ein, in dem sie eine weitere Nothilfe für Sozialhilfeempfänger forderten. In den letzten Monaten hatte es auf Grund der rasanten Inflation bereits zwei solcher Sonderzahlungen gegeben.

Am vergangenen Samstag mobilisierten die Piqueteros zum Arbeitsministerium und zu Kundgebungen in mehreren Städten.

Argentinien erlebt eine eigenartige Situation: Einerseits wächst die Wirtschaft so stark wie seit Jahren nicht mehr, die Arbeitslosigkeit ist auf den niedrigsten Stand seit 2015. Die internationale Konjunktur führt zu hohen Einnahmen durch den Export an Rohstoffen und Agrar-, aber auch an verarbeiteten Produkten. Die Auslastung der Industrie ist auf einem relativ hohen Stand. Auch der Konsum boomt, die Belegung der Hotels in den Urlaubsorten war während der Winterferien sehr hoch, die Restaurants, auch in den Städten, haben hohe Umsätze.

Die Inflation ist jedoch weiterhin extrem hoch, im Juli lag sie bei 7,5 Prozent, die höchste seit 2002. Dies frisst die Löhne und Renten vor allem der einkommensschwachen Sektoren auf, gesellschaftliche Spannungen und der Unmut in breiten Teilen der Gesellschaft steigen. Zudem hat der Staat durch die hohen Zahlungen an den IWF einen chronischen Mangel an Devisen, wodurch die Inflation zusätzlich angeheizt wird.

Offen ist, wie weit die von dem neuen "Superminister" Sergio Massa eingeleiteten Maßnahmen etwas an diesen Verhältnissen ändern können.

Vorerst will er den Agrarsektor durch Verhandlungen dazu bringen, die zurückgehaltenen Ernten zu veräußern, damit zusätzliche Devisen ins Land kommen. Die Exporteure hielten sich bisher damit zurück, einerseits um Druck auf die Regierung auszuüben, andererseits in der Hoffnung auf eine Entwertung des Pesos, die ihnen höhere Gewinne bescheren würden.

Auch wurde der Druck durch Zoll und Steuerbehörden weiter erhöht, um den illegalen Export zu unterbinden: Seit letztem Jahr wurden Tausende an Tonnen an Getreide beschlagnahmt, die ohne die entsprechenden Erklärungen verschifft oder per Lastwagen über die Grenze gebracht werden sollten.

Es wird geschätzt, dass in den vergangenen Jahren bis zu 30 Prozent der Ernte am Zoll vorbei illegal über Paraguay und Brasilien exportiert wurden und dem Staat damit Einnahmen in Milliardenhöhe entgingen.