Celac-Gipfel in Argentinien für "Einheit in der Vielfalt"

Erstmals Vertreter:innen sämtlicher 33 Mitgliedsstaaten anwesend. Kluft zwischen Rhetorik und Realität der Integration soll überwunden werden. Lula betont Beitrag der Region zum Aufbau der Multipolarität

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Argentiniens Präsident Fernández eröffnete das Gipfeltreffen, links neben ihm Lula da Silva
Argentiniens Präsident Fernández eröffnete das Gipfeltreffen, links neben ihm Lula da Silva

Buenos Aires. Das Gipfeltreffen der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (Celac) ist am Dienstag mit einer Abschlusserklärung zu Ende gegangen. Bei der Zusammenkunft waren das erste Mal Vertreter:innen aller 33 Mitgliedsstaaten anwesend.

Nicht präsent waren die Staatsoberhäupter von Ecuador, Mexiko, Nicaragua, Peru und Venezuela, die Länderdelegationen wurden von den Außenministern geleitet.

Die Gründung der Celac war im Februar 2010 beschlossen worden, zu ihr gehören aktuell 33 Staaten Lateinamerikas und der Karibik und damit alle souveränen Staaten Amerikas außer den USA und Kanada.

Zentrales Thema des 7. Celac-Gipfels war die regionale Integration. Im ersten von 111 Punkten der Abschlusserklärung heißt es dazu: "Wir bekräftigen die Verpflichtung der Mitglieder der Celac, den Integrationsprozess entschlossen voranzutreiben und dabei die Einheit und die politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Vielfalt unserer Völker zu fördern".

Der jetzige Zeitpunkt wird für eine Umsetzung als besonders günstig eingeschätzt, da in vielen Ländern in der Region progressive und linke Kräfte an der Regierung sind, die sich für diesen Prozess stark machen. Außerdem ist nach drei Jahren Abwesenheit unter dem rechten Präsidenten Jair Bolsonaro Brasilien in das Gremium zurückgekehrt.

In der Vergangenheit blieb es oftmals bei Absichtserklärungen ohne praktische Folgen. Dies kritisierte neben dem Präsidenten von Uruguay, Luis Lacalle Pou, besonders Kolumbiens Präsident Gustavo Petro. Als Beispiel verwies er auf das Versagen bei der gemeinsamen Bekämpfung der Corona-Pandemie.

Um "die Kluft zwischen Rhetorik und Realität" zu überwinden, schlug Petro konkrete Projekte vor, darunter den Ausbau und die Kooperation bei der regenerativen Energieerzeugung und der Stromnetze "von Patagonien bis Alaska", um dem Klimawandel zu begegnen, den er als das größte Problem der Menschheit bezeichnete. Sein Vorschlag der Integration der Energienetze wurde in die Abschlusserklärung des Gipfels aufgenommen.

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Das Celac-"Familienfoto"
Das Celac-"Familienfoto"

Außerdem forderte er die konsequente Industrialisierung der Region. "Wir müssen keine Rohexporteure von Öl und Kohle sein, wie wir es in der Vergangenheit mit Gold waren, unter demselben kolonialen System von vor fünf Jahrhunderten", betonte er. Als weiteren wichtigen Bereich der Zusammenarbeit nannte er die Migration.

Bei dem Gipfel wurden auch politische Differenzen deutlich. Gabriel Boric, Präsident von Chile, kritisierte die Regierungen von Nicaragua, Venezuela und Peru von denen er die "Freilassung der politischen Gefangenen" (Nicaragua), "freie Wahlen" (Venezuela) und "ein Ende der Gewalt gegen die Bevölkerung" (Peru) verlangte. Damit positionierte er sich ähnlich wie Lacalle Pou, der anprangerte, dass einige der teilnehmenden Länder die Menschenrechte nicht achten würden, womit er auf Venezuela, Nicaragua und Kuba anspielte.

Einigkeit besteht bei den Celac-Mitgliedsstaaten mehrheitlich darin, sich stärker von den USA unabhängig zu machen. Die US-dominierte Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) stößt zunehmend auf Ablehnung. Petro kritisierte, die OAS habe sich einer "ideologischen Parteilichkeit" verschrieben und Staatsstreiche unterstützt, was zu einem Vertrauensverlust der Organisation geführt habe. Auch Xiomara Castro, Präsidentin von Honduras warf der OAS "Versagen" vor.

Weder der umstrittene Generalssekretär, Luis Almagro, noch ein anderer OAS-Vertreter war zum Celac-Gipfel eingeladen.

Brasiliens Präsident Lula da Silva betonte in seiner Ansprache, die Region könne "ganz klar zu einer friedlichen Weltordnung beitragen, die auf dem Dialog, der Stärkung des Multilateralismus und dem kollektiven Aufbau der Multipolarität basiert" und versicherte, Brasilien sei "zurück in der Welt". Er rief dazu auf, "mit vereinten Kräften die Herausforderungen des Klimawandels zu bewältigen", und forderte "die Verringerung der Ungleichheiten und der Armut" in der Region zum zentralen Ziel für die kommende Celac-Periode zu machen.

Ein neuer starker Partner für die Region könnte die Brics-Gruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) und besonders China sein, sagte Luis Acre, Präsident von Bolivien. Er forderte deshalb, die Beziehung zu diesen Ländern weiter zu verbessern.

Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping, der zum Gipfel eingeladen war und sich per Videobotschaft meldete, betonte, dass "China mit Lateinamerika und der Karibik zusammenarbeitet, um den Aufbau des China-Celac-Forums ständig zu stärken". Die Volksrepublik ist bereits jetzt für viele Länder der Region der wichtigste Handelspartner.

Als einen zentralen Punkt in ihrer Abschlusserklärung betonten die Mitgliedsstaaten "die Anerkennung Lateinamerikas und der Karibik als Zone des Friedens und frei von Atomwaffen", den Einsatz "für die friedliche Beilegung von Streitigkeiten und ein internationales System, das auf respektvollen Beziehungen der Freundschaft und Zusammenarbeit beruht, frei von Drohungen, Aggression und einseitigen Zwangsmaßnahmen, die gegen das Völkerrecht verstoßen".

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Tausende Menschen demonstrierten am Dienstag in Buenos Aires für die Integration Lateinamerikas
Tausende Menschen demonstrierten am Dienstag in Buenos Aires für die Integration Lateinamerikas

Der argentinische Präsident und Gastgeber des Gipfels, Alberto Fernández, hatte die Celac-Staaten bereits in seiner Eröffnungsrede aufgefordert, "ihre Stimme gegen die Blockaden gegen Kuba und Venezuela zu erheben". Die Zwangsmaßnahmen gegen die beiden Ländern müssten aufgehoben werden: "Blockaden sind eine sehr perverse Methode, nicht Regierungen, sondern Völker zu sanktionieren. Wir können sie nicht weiter zulassen. Kuba steht seit sechs Jahrzehnten unter einer Blockade, Venezuela leidet ebenfalls darunter", sagte der Staatschef.

Weiter wurden in der Erklärung diverse gemeinsame sozialpolitische Vorstellungen und Forderungen festgehalten. Zu diesen zählen, dass die Celac-Länder die Rechte von Menschen mit afrikanischen Wurzen stärken wollen, ebenso wie die Bewahrung und Nutzung der indigenen Sprachen und die sozioökonomische Situation von Frauen. Auch soll die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung verbessert werden.

Die Delegierten einigten sich außerdem darauf, dass St. Vincent und die Grenadinen mit Premierminister Ralph Gonsalves den temporären Vorsitz der Celac von Argentinien übernehmen soll. Der karibische Inselstaat ist auch Mitglied des linksgerichteten Staatenbündnisses Bolivarische Allianz (Alba).

Während des Gipfels am Dienstag demonstrierten Tausende in den Straßen von Buenos Aires für die Integration, gegen die ultrarechten Kräfte und den Neoliberalismus in der Region. Delegierte von Organisationen aus Argentinien und zahlreichen Celac-Ländern nahmen teil und wiesen auf Missstände in ihren jeweiligen Ländern hin. Ein zentrales Thema war die staatliche Gewalt in Peru und die Solidarität mit den Protestierenden dort.

Am Tag zuvor waren politische und soziale Organisationen der Mitgliedsländer in Buenos Aires im Rahmen von "Celac Social" zusammengekommen. Im Zentrum der Debatten standen die Etablierung der Region als "Friedenszone", die Ablehnung von Sanktionen sowie der Respekt vor territorialer Integrität und Souveränität. Ein gemeinsames Abschlusspapier wurde dem Celac-Gipfel überreicht.