"Dritter Marsch auf Lima" und Proteste in ganz Peru

Landesweite Demonstrationen gegen die Regierung von Dina Boluarte halten an. Forderungen nach Rücktritt, Neuwahlen und Verfassungskonvent. Mehr als 30.000 Polizist:innen im Einsatz

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Demonstrierende aus dem Departamento Puno bei der "Toma de Lima" am 19. Juli
Demonstrierende aus dem Departamento Puno bei der "Toma de Lima" am 19. Juli

Lima et al. Zehntausende haben seit vergangenem Mittwoch und bis in das Wochenende hinein in den größten Städten Perus gegen die Regierung von Dina Boluarte und für eine Auflösung des Kongresses demonstriert. Schulen und Universitäten blieben geschlossen. Die Regierung setzte ein massives Polizeiaufgebot ein und es kam vereinzelt zu Straßenschlachten.

Der Zusammenschluss Coordinadora Nacional Unitaria de Lucha (CNUL), der verschiedene soziale Organisationen vereint, rief zudem zu weiteren Protesten vom 24. bis zum 29. Juli auf.

Für den 19. Juli hatten Organisationen zum "dritten Marsch auf Lima" aufgerufen (amerika21 berichtete). Zentrale Forderungen der Demonstrierenden bleiben neben der sofortigen Absetzung der nicht gewählten Präsidentin Dina Boluarte und der Schließung des Kongresses weiterhin die Aufklärung der während der Proteste begangenen Gewalttaten der Exekutive, die Freilassung aller politischen Gefangenen und die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung.

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"Sie haben keine moralische Autorität - Mörderregierung"
"Sie haben keine moralische Autorität - Mörderregierung"

Ziel des koordinierten Aufrufs für eine dritte Protestwelle ist eine anhaltende Mobilisierung in allen Landesteilen. Demonstrierende versammelten sich in 59 Provinzen des Landes sowie in der Hauptstadt Lima. Auch im Ausland, wie etwa in Buenos Aires, kamen Menschen vor der peruanischen Botschaft und auf zentralen Plätzen zu Solidaritätskundgebungen zusammen.

Die Regierung setzte circa 8.000 Polizist:innen in der Hauptstadt Lima und weitere 25.000 im restlichen Land ein. Die Sicherheitskräfte versuchten vor allem mit dem Einsatz von Tränengas, die Proteste frühzeitig aufzulösen. Nach Angaben des Büros des Ombudsmanns wurden landesweit acht Personen verletzt, davon zwei Polizisten und sechs Demonstrierende, darunter zwei Journalisten.

Jorge Pizarro, Sprecher der CNUL, betonte die Reichweite der Demonstrationen und die hohe Beteiligung in Lima, trotz der medialen Kampagne von offizieller Seite zur Kriminalisierung der Proteste. Im offiziellen Diskurs werden die Demonstrierenden immer wieder in die Nähe von terroristischen Vereinigungen gerückt und die sozialen Proteste in jeder Weise diskreditiert, um die massive Repression zu rechtfertigen.

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Einigen Demonstrierenden gelang es, auf den abgeriegelten zentralen Plaza San Martín zu gelangen. Sie fordern auch die Wiedereinsetzung Castillos
Einigen Demonstrierenden gelang es, auf den abgeriegelten zentralen Plaza San Martín zu gelangen. Sie fordern auch die Wiedereinsetzung Castillos

In den seit Dezember andauernden Protesten sind mindestens 67 Menschen zu Tode gekommen, 49 von ihnen wurden von Sicherheitskräften erschossen. Der Sprechchor "Dina asesina, el pueblo te repudia, cuántos muertos más quieres para que renuncies" (Dina Mörderin, das Volk lehnt dich ab, wie viele Tote willst du noch, damit du zurücktrittst), ist inzwischen zur Hymne der Anti-Regierungsproteste geworden.

In der Stadt Juliaca versammelten sich Angehörige der 18 Menschen, die am 9. Januar bei Protesten gegen die Regierung Boluarte von der Polizei erschossen wurden. Unter den Rufen "Wir fordern Gerechtigkeit" wurden die Porträts der Opfer auf dem Plaza de Armas aufgestellt. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu den Todesfällen, die durch die Repression verursacht wurden, kommen nach wie vor kaum voran.

Aktuellen Umfragen zufolge wird Dina Boluarte von 80 Prozent der Bevölkerung abgelehnt, der Kongress von 91 Prozent.

Das Vorgehen der Regierung Boluarte seit der Absetzung und Inhaftierung von Linkspräsident Pedro Castillo im Dezember 2022 wurde auch von verschiedenen internationalen Organisationen angeprangert, unter ihnen die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (amerika21 berichtete). Einige Regierungen Lateinamerikas verurteilten die Unterdrückung der Proteste und stellten die Herrschaft Boluartes infrage.

Andere Länder, unter ihnen Deutschland und die USA, haben keine Stellung zur Legitimität der Regierung Boluarte bezogen. Im Mai hatte der peruanische Kongress die Präsenz von US-amerikanischen Truppen in Peru zu Trainingszwecken genehmigt (amerika21 berichtete).