Präsidentin Boluarte ruft Ausnahmezustand in Peru aus

Maßnahme soll Kriminalität bekämpfen. Geltung zunächst in Teilen des Landes. Regierung von Lima fordert Ausweitung. Härtere Hand gegen Einwander:innen

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Präsidentin Dina Boluarte will "der Kriminalität und dem organisierten Verbrechen mit einem Frontalangriff standhaft und entschlossen entgegentreten"
Präsidentin Dina Boluarte will "der Kriminalität und dem organisierten Verbrechen mit einem Frontalangriff standhaft und entschlossen entgegentreten"

Lima. Perus Präsidentin Dina Boluarte hat am Dienstag für 60 Tage den Ausnahmezustand über zwei Hauptstadtbezirke sowie über die Provinz Sullana im Norden des Landes verhängt. In Lima sind die Bezirke San Juan de Lurigancho und San Martín de Porres betroffen. Die Entscheidung wurde getroffen, nachdem am vergangenen Wochenende ein Sprengsatz in einer Diskothek in San Juan de Lugrigancho mindestens zehn Menschen verletzt hatte. In einem Interview mit dem staatlichen Fernsehsender TV Peru sagte Boluarte, der Ausnahmezustand ziele darauf ab, "der Kriminalität und dem organisierten Verbrechen mit einem Frontalangriff standhaft und entschlossen entgegenzutreten".

Der Ausnahmezustand setzt eine Reihe von Verfassungsrechten außer Kraft, darunter die Versammlungsfreiheit, die Unverletzlichkeit der Wohnung und die Reisefreiheit. Weiterhin gilt eine Ausgangssperre zwischen Mitternacht und vier Uhr morgens und es sollen Fahrzeuge, Unterkünfte und Vergnügungsstätten kontrolliert werden. Ergänzt wird dies durch Patrouillen, Videoüberwachung und Einsätze in Gefängnissen. Zur Durchsetzung dieser Maßnahmen werden zahlreiche Polizei- und teilweise auch Militäreinheiten eingesetzt.

Innenminister Vicente Romero sagte, die Regierung schließe nicht aus, den Ausnahmezustand auf weitere Teile des Landes auszuweiten. "Wir werden diese Leute daran erinnern, dass sie nicht im Dschungel leben, dass es hier Rechte und Gesetze gibt, die respektiert werden. Wir werden in ihre Verstecke eindringen und sie fangen", fügte er hinzu.

Die politische Führung von Lima begrüßt die Maßnahme weitgehend. Rafael López Aliaga, Oberbürgermeister der Stadt, sagte der Presse, dass "die Anwesenheit von Streitkräften in San Juan de Lurigancho oder San Martín de Porres lebenswichtig ist und zwar die ganze Nacht lang".

In einem Kommuniqué äußerten sich auch mehrere Bezirksbürgermeister:innen von Lima: "Wir fordern, dass die Bezirke im Osten Limas in die Ausrufung des Ausnahmezustands einbezogen werden und dass die Strategie des frontalen Kampfes gegen die Kriminalität durch eine umfassende und territoriale Intervention in den Gebieten mit der höchsten Kriminalitätsrate mit Unterstützung der Streitkräfte und unserer Nationalpolizei intensiviert wird." Tatsächlich ist die Zahl der in Lima gemeldeten Straftaten in den letzten zwei Jahren von 120.000 auf 160.000 gestiegen.

Alternative lateinamerikanische Medienstimmen sehen in der Aktion der Regierung einen "reinen demagogischen" Stimmenfang und erinnern daran, dass auch frühere Präsidenten wie Vizcarra oder Castillo den Ausnahmezustand verhängt hatten, ohne jedoch die Gewalt im Land stoppen zu können. Ursache der Gewalt, so das linke Nachrichtenportal La Izquierda, sei der Drogenhandel. Die Drogenbosse hätten Richter:innen, Staatsanwält:innen und die Polizei in der Tasche. Solche Aktionen würden daher ohnehin nur die "kleinen Fische" treffen.

Eine weitere strukturelle Grundlage für die Zunahme der Gewalt liegt laut La Izquierda in der kolossalen Armut und den prekären Arbeitsverhältnissen im Land, in denen 70 Prozent der arbeitenden Bevölkerung arbeiteten. Diese Probleme würde die Regierung aber aufgrund ihrer Verpflichtungen gegenüber nationalen und internationalen Wirtschaftskonzernen nicht angehen.

Der Ausnahmezustand soll auch der Bekämpfung der illegalen Migration dienen. Das Dekret sieht vor, "die Kontrolle und Identifizierung der irregulären Migration" zu verstärken und "mögliche Verstöße in Migrationsangelegenheiten aufzudecken". Zu diesem Zweck soll das Innenministerium zugunsten der Nationalpolizei in den Migrationsbehörden tätig werden.

Dadurch sind Polizeibeamte befugt, Personen sowohl auf öffentlichen Straßen als auch in Bussen des öffentlichen Nahverkehrs nach ihren Ausweispapieren zu fragen und so herauszufinden, ob diese einen gültigen Aufenthaltstitel haben. Seit Monaten heißt es in den Leitmedien, dass die interne Kriminalität hauptsächlich von ausländischen Mafias kontrolliert würden. Diese sollen laut Berichten der Nationalen Polizei zu einem großen Teil aus Venezolaner:innen bestehen und sich für Erpressungen, Menschenhandel und Auftragsmorde verdingen.

All dies geschieht vor dem Hintergrund einer weiter wachsenden Xenophobie gegenüber venezolanischen Migrant:innen, die sie zu Opfern von Angriffen und Diskriminierungen gemacht hat. Bereits im April wurde in den Grenzregionen des Landes ein Ausnahmezustand ausgerufen, um die Migration von Venezolaner:innen zu kontrollieren. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich nach offiziellen Angaben 1,7 Mio. Ausländer:innen in Peru, davon 1,5 Mio. aus Venezuela.