Neue Proteste in Guatemala, zweites Widerstandscamp in der Hauptstadt

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Ein Student der Protestbewegung erhält seinen Universitätsabschluss hinter Gittern
Ein Student der Protestbewegung erhält seinen Universitätsabschluss hinter Gittern

Guatemala-Stadt. Zahlreiche Menschen haben in Guatemala-Stadt für die Freilassung der vergangene Woche Festgenommenen protestiert. Inmitten der laufenden Proteste gegen die Versuche der Staatsanwaltschaft, den Amtsantritt des neu gewählten Präsidenten Bernardo Arévalo zu verhindern, hatten eben diese Behörde und Polizei am 16. November zugeschlagen. In landesweiten Razzien wurden insgesamt sechs Personen verhaftet. Ihnen wird vorgeworfen, die vor Monaten beendete Besetzung der öffentlichen San-Carlos-Universität unterstützt zu haben (amerika21 berichtete).

Die Demonstrierenden, die aus verschiedenen Departamentos in die Hauptstadt gekommen waren, berichteten über Versuche, die Anreise zu verhindern. Die Polizei hielt zahlreiche Busse auf der zentralen Zufahrtstrasse Calzada Roosevelt fest. Einen Bus aus Quetzaltenango stoppten die Einsatzkräfte unter Verweis auf technische Mängel, der daraufhin die Rückfahrt antreten musste, berichtete ein Teilnehmer gegenüber amerika21.

Der Demonstrationszug zog von der Zone Zwei in die Innenstadt. Dort wollten Delegationen der indigenen Völker der Poqomam, Kaqchikel, K'iche, Q'anjob'al und Achí dem Kongress verschiedene Petitionen überreichen, in denen unter anderem die Freilassug der sechs Inhaftierten gefordert wurde.

Da sich die Entgegennahme der Dokumente lange verzögerte, entschieden die indigenen Autoritäten in unmittelbarer Nähe des Kongresses einen zweiten Widerstandspunkt einzurichten. Ein Protestcamp vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft wird seit Anfang Oktober gehalten (amerika21 berichtete).

Rigoberto Juárez, indigene Autorität der Plurinationalen Regierung des Departamentos Huehuetenango, sprach von einer "Verantwortungslosigkeit der Regierung, die Poliizei angewiesen zu haben, uns den Zugang zum Kongress zu verwehren."

Trotz starker Polizeipräsenz, die "ständig mit Räumung droht" und zeitweisen starken Regenfällen blieb das spontan errichtete Widerstandscamp seit Dienstag bestehen. Wie schon bei dem Camp vor der Staatsanwaltschaft ist die Solidarität groß, "Anwohner und Menschen aus anderen Gebieten der Stadt bringen Lebensmittel und Feuerholz", schreibt Prensa Comunitaria.

Unterdessen weitet sich die Repression noch aus. Anfang dieser Woche wurde auch Jorge Macario, Mitglied der Gewerkschaft der Universitätsangestellten, inhaftiert. Ihm wird, wie auch den letzte Woche Festgenommenen, im Zusammenhang mit der Besetzung der Universität vom April 2022 bis Juni dieses Jahres unter anderem "schwere Besetzung, Plünderung von Kulturgütern und illegale Vereinigung" vorgeworfen.

Die Besetzung des zentralen Campus der Universität war erfolgt, nachdem bei der Wahl zum Universitätsrektor oppositionelle Kandidaten benachteiligt und der jetzige Rektor Waltar Mazariegos letztlich ohne Gegenkandiat gewählt wurde. Kritiker werfen Mazariegos vor, Vertrauter des herrschenden Paktes des Korrupten zu sein und die öffentliche Universität schrittweise privatisieren zu wollen.

Gegen die Festgenommenen wurden diese Woche erste Anhörungen eröffnet. Dabei behauptete Staatsanwalt Ángel Saúl Sanchez, die oppositionellen Parteien "Semilla, MLP, Vos und Winaq" hätten "logistisch hinter der Besetzung der Universität" gestanden.

Für große öffentliche Anteilnahme sorgte am Donnerstag der Universitätsabschluss des Studenten Javier de Leon, der zu den Festgenommen gehört. Der Physikstudent nahm seinen Abschluss in der Haftanstalt Mariscal Zavala entgegen. Seine Mutter war anwesend, als bei Universitätsabschlüssen in Guatemala übliche Paten standen die beiden ebenfalls inhaftierten Rodolfo Chang und Dr. Eduardo Velásquez zur Verfügung.

Draußen feierten hunderte Menschen diesen Akt hinter Gittern. Neben Studenten und Familienangehörigen hatte sich auch der Semilla-Abgeordnete Román Castellanos eingefunden. Gegen den Parlamentarier wird im Zusammenhang mit der Besetzung der Universität ebenfalls ermittelt, ihm wird die Aufhebung seiner Immunität angedroht.