Großdemonstration in Argentinien für "Brot, Frieden, Land, Wohnung und Arbeit"

Gewerkschaften und soziale Organisationen am Tag von San Cayetano auf der Straße. Bischof fordert: "Die Ausgeschlossenen ernähren und sie nicht verlassen"

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Zehntausende zogen am Tag von San Cayetano zum Plaza de Mayo
Zehntausende zogen am Tag von San Cayetano zum Plaza de Mayo

Buenos Aires. Der 7. August ist in der katholischen Kirche der Feiertag des heiligen Kajetan von Thiene, San Cayetano auf spanisch, Patron für Brot und Arbeit. Italienische Einwanderer brachten die Devotion zu diesem Heiligen im 19. Jahrhundert mit nach Buenos Aires. Im Vorort Liniers wurde ihm eine Kirche gewidmet.

Jedes Jahr zu seinem Namenstag, pilgern Tausende von Menschen dorthin und bitten den Heiligen um Arbeit und Wohlstand für das kommende Jahr. Das Ereignis ist deshalb zu einem sozialen Barometer geworden: Desto schlechter die wirtschaftliche Situation und je höher die Anzahl an Arbeitslosen, um so größer die Menschenmenge.

Gewerkschaften und soziale Organisationen nutzen den Tag auch regelmäßig für Kundgebungen und Proteste. Es entsteht dabei eine Mischung aus Religion, Politik und Volksglaube. Auch viele Nichtkatholiken beteiligen sich und das Bild des San Cayetano findet man an vielen Stellen in der Stadt, oft geschmückt mit einen Paar Getreideähren und einem Geldschein.

So auch dieses Jahr: Bereits am frühen Morgen begann sich eine große Menschenmenge in Liniers vor der Kirche zu sammeln. Um acht Uhr las der Erzbischof von Buenos Aires, Monseñor Jorge García Cuerva, eine Messe, in der er über die Notwendigkeit sprach "die Ausgeschlossenen zu ernähren und sie nicht zu verlassen", mit einer offenen Kritik an die Politik der Regierung. Bereits am Nationalfeiertag vom 9. Juli im Tedeum in der Kathedrale hatte der Kirchenmann einen sehr deutlichen Aufruf an den Präsident Javier Milei gerichtet, die harten Folgen seiner Wirtschaftspolitik nicht zu übersehen.

Ab zehn Uhr begann dann ein Demonstrationsmarsch, zu dem verschiedenen Gewerkschaften aufgerufen hatten, der die Avenida Rivadavia entlang bis zum Maiplatz vor dem Regierungspalast zog. Im Laufe des Weges schlossen sich weitere Demonstranten an, bis an der Plaza de Mayo erneut eine große Versammlung zusammenkam.

Die Regierung hatte im Zentrum ein massives Polizeiaufgebot aufmarschieren lassen, es gab jedoch keine Provokationen und keine Ausschreitung, der Tag verlief ruhig.

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Protest gegen Mileis Kettensägen-Politik: "Kein Frieden, kein Brot, keine Wohnung, keine Arbeit"
Protest gegen Mileis Kettensägen-Politik: "Kein Frieden, kein Brot, keine Wohnung, keine Arbeit"

Seit der von Präsident Milei im Dezember letzten Jahres durchgeführten Rekord-Devaluation und den weiteren Maßnahmen, die zu einer tiefen Wirtschaftsrezession geführt haben, ist die Arbeitslosigkeit sprunghaft gestiegen: Der Verlust an regulären Arbeitsplätzen im Privatesektor wird auf inzwischen 600.000 gerechnet - gemessen durch die Sozialbeiträge die nicht mehr gezahlt werden - der an nicht registrierten Stellen dürfte drei mal so hoch sein. Der Staat hat ebenfalls Tausende von Stellen gestrichen.

Entsprechend ist die Armut in wenigen Monaten auf 54 Prozent der Bevölkerung angewachsen und die extreme Armut hat sich auf circa 20 Prozent verdoppelt, der höchste Wert seit der Krise 2001-2002. Das bedeutet 25 Millionen Menschen in Armut, darunter neun Millionen, die Ihre tägliche Nahrung nicht gesichert haben. Dieses spiegelt sich in den Konsumwerten wieder: Der Verkauf von Rindfleisch, traditionell ein Grundnahrungsmittel in einem Land, in dem es mehr Kühe als Mensch gibt, ist der geringste seit 100 Jahren. Bei der Milch, üblicherweise eines der letzten Nahrungsmittel, auf das die Familien verzichten, ist der Konsum um 20 Prozent zurückgegangen.

Trotz dieser Zahlen steht noch ein erstaunlicher Prozentsatz der Bevölkerung hinter dem Präsidenten, auch wenn der Höhepunkt seiner Beliebtheit bereits vorbei ist. Den Wählern wurden jedoch die extremen Rückschnitte mit der Notwendigkeit der Bekämpfung der Inflation verkauft. Nach dem selbstverursachten Sprung nach oben im Dezember, schien diese auch langsam zurückzugehen. Seit Juni ist die Tendenz jedoch wieder Aufwärts. Die ersten Angaben für Juli zeigen Werte um die fünf Prozent und es ist angesichts der letzten Preissteigerungen bei der Energie nicht zu erwarten, dass dieses wieder zurückgeht. Wie ein neues Aufflammen der Inflation auf die politische Stimmung wirken wird, ist abzuwarten.