Lima/Bogotá/Mexiko-Stadt. In zahlreichen Städten Lateinamerikas sind am Wochenende zehntausende Menschen auf die Straßen gegangen, um für die Rechte von LGBTIQ+-Personen zu demonstrieren. Der Pride-Monat fand seinen Höhepunkt in Großveranstaltungen in Städten wie Bogotá, Rio de Janeiro, São Paulo, Mexiko-Stadt, Lima und Santiago de Chile. Während vielerorts gefeiert wurde, äußerten Aktivist:innen auch scharfe Kritik an der zunehmenden Vereinnahmung durch Unternehmen und politischen Opportunismus.
In Mexiko-Stadt marschierten laut AP News rund 500.000 Menschen vom Ángel de la Independencia bis zum zentralen Zócalo-Platz unter dem Motto "Diversität ohne Grenzen – Gerechtigkeit, Widerstand und Zusammenhalt". Die Teilnehmenden forderten unter anderem ein entschlosseneres Vorgehen gegen Hassverbrechen, besseren Schutz für queere Geflüchtete sowie gleiche Rechte im Gesundheits- und Bildungswesen.
Das Mexikanisches Institut für soziale Sicherheit (IMSS) unterstützte die Pride-Bewegung auf konkrete Weise. Am Rande der Demonstration installierte das IMSS mehrere Infoschalter und kostenlose Schnelltests: Insgesamt wurden 1.540 Tests durchgeführt, darunter 768 für HIV und 772 für Hepatitis C. Diese Angebote standen allen offen, unabhängig von der Versicherung oder dem sozialen Status. Verantwortliche betonten, dass das IMSS nicht nur durch Regenbogenmarketing präsent sein will, sondern Prävention, Inklusion und menschenwürdige Gesundheitsversorgung ernst nehme.
In Mexiko ist in allen 32 Bundesstaaten die gleichgeschlechtliche Ehe seit 2022 anerkannt (amerika21 berichtete). Die Gesundheitsinstitutionen sind gesetzlich dazu verpflichtet, Mitglieder der queeren Community ohne Diskriminierung zu behandeln. Jedoch wird die Umsetzung weiterhin kritisiert.
In Kolumbiens Hauptstadt Bogotá standen die Demonstrationen am Sonntag unter dem Slogan: "Wir sind nicht deine Ausrede", ein direkter Verweis auf die wachsende Unzufriedenheit über die Kommerzialisierung der Pride-Bewegung.
Neben dem offiziellen Umzug mit über 100.000 Menschen fand auch eine alternative Gegendemonstration (Kontramarcha) statt. Diese wurde von queeren Kollektiven organisiert, die kritisieren, dass große Firmen, Parteien und staatliche Stellen den Pride zunehmend für Marketing-Zwecke instrumentalisieren, ohne konkrete Verbesserungen für die Community umzusetzen. Eine Aktivistin sagte gegenüber El Espectador: "Wir sind nicht hier, um schöne Fotos für Firmenkampagnen zu liefern. Wir kämpfen gegen Gewalt, Diskriminierung und Armut." Das spiegelte sich auch in der Ästhetik der Aktion wider: Vorwiegend schwarz und anarchisch war der Dresscode im Gegensatz zum bunten Auftritt des offiziellen Umzugs. In Kolumbien wurden in 40 Städten Demonstrationen durchgeführt.
Auch in der peruanischen Hauptstadt Lima marschierten zehntausende Menschen unter dem Motto "Pride ist auch Widerstand". Während bunte Paraden das Bild prägten, forderten Demonstrierende, dass Pride nicht zu einem kommerziellen Spektakel verkommt, das queere Lebensrealitäten romantisiert oder ignoriert.
Gerade in Peru wurden in den letzten Jahren wieder vermehrt Gesetzesinitiativen eingebracht, die trans Personen gezielt benachteiligen könnten. In seiner 23. Ausgabe fand die Veranstaltung daher in einem besonders angespannten sozialen und politischen Kontext statt. Die Veranstaltenden betonen, dass es sich nicht nur um eine Feier handelt, sondern um einen kollektiven Protest gegen die jüngsten legislativen Rückschritte bei den Rechten von trans Personen. Im Aufruf stand daher: "Komm mit deiner Wut, deiner Liebe und deinen Träumen. Wir existieren, wir leisten Widerstand und wir werden nicht schweigen."
In allen genannten Städten werden Stimmen lauter, die sich gegen sogenanntes Rainbow-Washing wehren: Viele Unternehmen und Politiker:innen schmücken sich im Juni mit Regenbogenfarben, ohne ihre internen Strukturen oder Politik zu verändern. Medien dokumentieren diese Kritik und die wachsende Bewegung des Critical Pride.