Die Freiheit nach den Zapatistas

Am 7. Januar endete die dritte "Escuelita" der EZLN in Chiapas, Mexiko. Mehr als zweitausend Besucher lernten für fünf Tage Leben, politische Struktur und Schwierigkeiten in den zapatistischen Gemeinden kennen

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Plakat der EZLN: "1984-1994-2014 – Jeder Tag voller Würde"
Plakat der EZLN: "1984-1994-2014 – Jeder Tag voller Würde"

Die EZLN (Zapatistische Armee der nationalen Befreiung) lud bereits zum dritten Mal Interessierte aus aller Welt ein, für fünf Tage Leben und Wirken der zapatistischen Gemeinden und ihre autonome politische Struktur in der "Escuelita Zapatista: La Libertad según l@s Zapatistas" (Kleine Schule der Zapatistas: Die Freiheit nach den Zapatistas) kennenzulernen. Nachdem bereits im vergangenen August 1500 und im Dezember 2000 Interessierte ihren Weg nach Chiapas fanden, waren es bei der dritten Ausgabe der Escuelita sogar mehr als 2000 Teilnehmende, die sich am 2. Januar in San Cristóbal de las Casas einfanden.

Viele von ihnen standen noch ganz unter dem Eindruck der Neujahresfeierlichkeiten, die dieses Jahr mit dem 20-jährigen Jubliäum der bewaffneten Erhebung der EZLN im Jahre 1994 zusammenfielen. In allen fünf Caracols (Zentren der "Junta de Buen Gobierno", der autonomen Regierung der Zapatistas) fanden zu diesem Anlass Feste und feierliche Akte statt, zu denen auch Besucher herzlich eingeladen waren. Viele Teilnehmende nahmen die Möglichkeit wahr und besuchten die Veranstaltungen in den näher gelegenen Caracols Oventik und Morelia.

Am 1. und 2. Januar fand dann in der "Universidad de la Tierra" CIDECI am Stadtrand von San Cristóbal de las Casas die Registrierung statt. Die nationalen und internationalen Teilnehmenden wurden einem der fünf Caracols zugeteilt und erhielten neben einer Identifikationskarte ein Paket mit vier Büchern und zwei DVDs mit dem Kursinhalt, wofür ein Entgelt von 380 Pesos (rund 21 Euro) zu entrichten war. Am Morgen des 2. Januars begann der Transport in die einzelnen Caracols. In die weiter entfernteren wie Roberto Barrios und La Realidad betrug die Fahrzeit mehr als acht Stunden.

Nach einer feierlichen Begrüßungen in den Caracols mit Musik und Verpfleung wurde allen "Schülerinnen und Schülern" ein Auseher zugeteilt, der für die nächsten Tage nicht von ihrer Seite weichen sollte. Sie dienten als Übersetzer und kulturelle Vermittler, um den Aufenthalt in den Gemeinden zu erleichtern und Missverständnisse zu vermeiden. Am folgenden Tag erhielten die Teilnehmenden eine Einführung in die Geschichte der EZLN, die Konstruktion der Autonomie und einen Überblick über einige der spezielleren Gesichtspunkte der Bewegung wie direkte Demokratie, Justiz der Zapatistas und die Rolle der Frau in der Bewegung. Anschließend fand eine weitere Verteilung der "Schülerinnen und Schüler" statt. Diesmal auf die einzelnen zapatistischen Gemeinden. Gemeinsam mit ihren Begleitern reisten dieTeilnehmenden noch am selben Tag in die Gemeinden, von denen wiederum einige bis zu acht Stunden von den Caracols entfernt waren.

Dort verbrachten sie die nächsten drei Tage in einer Familie, die Verpflegung und Logis übernahm. Vor Ort lernten sie die Basisstrukturen der politischen Organisation der Zapatistas, die Kollektivarbeiten der einzelnen Gemeinden und den Alltag der Zapatistas kennen. So stellten Vertreter der Zapatistas auch Gesundheitszentren, autonome Schulen und Kaffeekollektive vor. Viele Teilnehmer zeigten sich besonders beeindruckt von der extremen Hingabe an Selbstorganisation und politischen Kampf der Basis, aber auch Widersprüche und die extreme Armut in den Gemeinden hinterließen einen tiefen Eindruck.

Und auch in den ausgeteilten Büchern verschwiegen die Zapatistas die vielen Probleme der Bewegung nicht. Besonders wiesen sie auf die Schwierigkeiten hin, die ihnen die Politik der offizielen mexikanischen Regierung bereitet, die durch Sozialleistungen und Subventionen versucht, die Bewegung zu spalten – was vielerorts auch teilweise gelungen ist. Gleichzeitig wiesen die Zapatistas darauf hin, dass ihr Kampf weiter geht und sie nicht aufhören wollen, an der Verbesserung ihrer geschaffenen Strukturen und Organisationsformen zu arbeiten. Getreu ihrem Motto "Lentos avanzamos" (Langsam kommen wir voran), welches sich in vielen Wandbildern neben bunten Schnecken wiederfindet, blicken sie optimistisch in die Zukunft und hoffen darauf, mit ihren geringen Ressourcen weiter an dem Traum von Autonomie, Freiheit und Gerechtigkeit arbeiten zu können.

Ein weiterer Punkt, auf den sehr viel Wert gelegt wurde, ist die Frage der Geschlechtergerechtigkeit. Die Zapatistas präsentierten ihre Ideen zur Gleichstellung der Frau und zeigten den Teilnehmenden in vielen Gemeinden stolz Frauenkollektive. Jedoch gaben Vertreter der "Junta de Buen Gobierno" zu, dass auch in diesem Punkt noch ein weiter Weg zu gehen und die Realität noch weit von dem angestrebten Ideal entfernt sei.

Am 7. Januar kehrten die "Schülerinnen und Schüler" zurück in die jeweiligen Caracols, wo sie von Vertretern der "Junta de Buen Gobierno" feierlich verabschiedet und mit dem Auftrag, das Gelernte und Gesehene kritisch zu reflektieren und in die Welt und den eingenen Wirkungsbereich zu tragen, entlassen wurden.

Die Escuelitas erregten die Aufmerksamkeit der Medien des ganzen Landes. Alle großen Zeitungen berichteten über die Lehrgänge in Chiapas und über das Jubiläum des bewaffneten Aufstandes. Für März oder April soll bereits eine weitere Escuelita geplant sein. Dort sollen die Teilnehmenden dann die zweite Stufe des Lehrgangs der Freiheit nach den Zapatistas erhalten.