Spanien / Medien

El País setzt Kritiker unter Druck

Mit Urheberrecht in Stellung gegen Pascual Serrano

Die spanische Tageszeitung El País verlangt vom freien Journalisten Pascual Serrano, daß er seinen Artikel El País contra Chávez, fuego a discreción (El País gegen Chávez, diskretes Feuer) aus seinem Online-Portal www.rebelion.org nimmt oder für zitierte Passagen aus Artikeln bezahlt. In seinem Beitrag analysiert Serrano, wie Spaniens führendes Blatt in der Ausgabe vom 18. November 2007 in neun Artikeln, die in sechs verschiedenen Rubriken erschienen, den venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez kritisiert hat. “Weder ich noch rebelion.org werden den Artikel vom Netz nehmen und schon gar nicht werden wir die Zeitung für das Recht sie zu kritisieren bezahlen”, entgegnete der Medienkritiker in einer ersten Stellungnahme.

Gegenstand des Streits sind die zitierten Sätze aus dem Leitartikel “El Comandante y el Rey” (Der Comandante und der König) von Mario Vargas Llosa. Der peruanische Schriftsteller kommt in El País immer dann zu Wort, wenn jemand hart gegen Chávez schießen soll. Bereits 2001 schrieb er “Fuera el loco” (Raus mit dem Verrückten). Serrano hat schon mehrfach die Venezuela-Berichterstattung von El País kritisch unter die Lupe genommen. Jetzt aber schießt das Flaggschiff des Medienkonzerns PRISA erstmalig zurück: für die zitierten Passagen aus Vargas Kommentar soll der Journalist bezahlen, so als hätte er den gesamten Text abgedruckt. Das ist aber nicht der Fall, wie sich unschwer dem Artikel entnehmen läßt.

In Deutschland gilt El País als “liberales” Medium. Dieses Urteil mag im spanischen Kontext stimmen. Wenn man aber die Venezuela-Berichterstattung des Blatts im Vorfeld des Putsches 2002 eingehend untersucht, entsteht der Eindruck, daß El País das entsprechende Klima mit herbeigeschrieben und das dafür nötige “Verständnis” in Europa geweckt hat. Viele negative Wertungen des Blatts über Chávez fanden ihren Eingang in die deutsche Tagespresse und in wissenschaftliche Publikationen. (Entsprechende Belege finden sich in dem Buch “Venezuela not for Sale” (Berlin, 2006), dessen Autor der Verfasser dieses Beitrags ist.)

Der Grund für die ablehnende Haltung von El País Chávez gegenüber mag in den wirtschaftlichen Interessen des Mutterhauses PRISA liegen: der Medienkonzern kontrolliert mit seinem Verlagszweig weite Teile des lukrativen Schulbuchmarktes in Lateinamerika. Seiner Fernsehsparte wird nachgesagt, er sei am Kauf des letzten staatlichen Fernsehsenders, VTV, in Venezuela interessiert gewesen. Dann aber gewann Chávez die Präsidentschaftswahl und stoppte die Privatisierungspolitik seiner Amtsvorgänger.

El País durchquert gerade eine Schlechtwetterzone: im Sommer verstarb PRISA-Boss Jesús de Polanco, seitdem sind Risse im Konzern sichtbar. Außerdem setzt die Konkurrenz dem meinungsmachenden Blatt hart zu. Zu Einfluß und Reichtum kam Polanco unter dem sozialistischen Regierungschef Felipe González (PSOE), der wiederum dem korrupten venezolanischen Präsidenten Carlos Andrés Pérez verpflichtet war. Hier schließt sich der Kreis der spanischen Anti-Chávez-Phalanx, die gerade gegen einen mißliebigen Journalisten vorrückt.