Venezuela / Spanien

Des Königs Falangist

Spaniens Monarch Juan Carlos und Expremier José María Aznar verdanken ihre Stellung dem Franco-Faschismus. Die Fragen von Hugo Chávez sind mehr als Geplänkel

Chávez beschimpft König« und »König fährt Chávez übers Maul« - so lauteten die Schlagzeilen in der deutschsprachigen Presse nach dem verbalen Zusammenstoß zwischen dem venezolanischen Präsidenten und dem spanischen König Juan Carlos de Borbón Anfang Novemeber auf dem Iberomarikanischen Gipfel in Chile.

Vorausgegangen waren Chávez" Attacken auf den ehemaligen spanischen Premier José María Aznar, den er mehrmals einen »Faschisten« nannte. Anstatt die Vorwürfe des Venezolaners zu widerlegen, ging die deutsche Mainstream-Presse darüber hinweg und pflegte ihre traditionelle Hofberichterstattung für Juan Carlos I. Hintergrundinformationen wurden tunlichst vermieden. Andernfalls hätte das Image des Monarchen und seines Ex-Premiers ernsthaften Schaden nehmen können.

Juan Carlos und Aznar haben einiges gemeinsam. Beide verdanken ihre Karrieren dem faschistischen Diktator Francisco Franco: den Aristokraten machte Franco zu seinem Nachfolger als Staatschef, und der Bürgerliche war Regionalsekretär der franquistischen Jugendorganisation in der Provinz La Rioja. Es versteht sich von selbst, daß sich beide niemals für ihre Vergangenheit rechtfertigen mußten. Der Pakt des Schweigens, den Monarchisten, Postfranquisten, Sozialisten und Reformkommunisten 1981 besiegelten, hat sie bisher vor der Aufarbeitung der Vergangenheit geschützt.

Nun verlangt Chávez von Juan Carlos, die Verwicklungen Spaniens in den Putsch 2002 gegen ihn offenzulegen. Das ist mehr als Geplänkel oder Provokation. Juan Carlos weiß genau, was ein Putsch ist. 1981 ließ er die Hardcore-Franquisten ins Leere laufen, als er ihren Staatsstreich nicht unterstützte. Seitdem gilt er als »Garant der Demokratie« in Spanien. Dabei saß der Strippenzieher der Verschwörer selbst im Königspalast - er hieß General Alfonso Armada und war Privatsekretär des Königs sowie Vertrauter der Königin. Nach dem vereitelten Umsturz war die Monarchie fürs erste gerettet. Der harte Flügel der Faschisten, der die Krone in Frage stellte, war kaltgestellt; Sozialisten und Kommunisten akzeptierten den Monarchen als Mittler; die Postfranquisten lernten das Kleine Einmaleins der Demokratie.

Zu letzteren gehört José María Aznar, der 1996 mit der konservativen Volkspartei (PP) die Wahlen gewann und einige Anleihen bei Franco nahm: Als die baskische Untergrundorganisation ETA PP-Politiker ermordete, reagierte Aznar mit den Worten: »Wir sind die Juden, sie die Nazis«. 1998 ließ er die baskische Tageszeitung Egin und deren Radiosender schließen. Drei weitere Medien, darunter das Enthüllungsmagazin Ardi Beltza, folgten. Ardi Beltza hatte eine Biographie über Juan Carlos veröffentlicht. Neben privaten, politischen und ökonomischen Fakten tauchten darin vor allem Fragen auf, die die spanische Presse nicht zu stellen wagt. Chefredakteur Pepe Rei wurde 2001 wegen Zusammenarbeit mit der ETA festgenommen. Er kam allerdings bald wieder frei, weil keine Beweise gegen ihn vorlagen. Auch als Aznar Spanien 2003 in den Angriffskrieg gegen den Irak führte, ignorierte er den Willen der Bürgerinnen und Bürger. Über 90 Prozent der Spanier waren gegen die Kriegsbeteiligung, aber das juckte den Postfranquisten nicht. Im August 2003 wurde auch bekannt, daß die Regierung Aznar die Stiftung »Fundación Nacional Francisco Franco«, deren Aufgabe es ist, sich für das Ansehen des faschistischen Diktators Franco einzusetzen, über das Kulturministerium mit erheblichen Subventionen unterstützt hatte. Daß Spanien 2002 in den Putsch gegen Chávez involviert war, läßt sich schließlich in dem deutschen Buch »Venezuela not for Sale« nachlesen. Dort finden sich Beweise, die das Demokratiedefizit führender spanischer Politiker belegen.