Venezuela / Deutschland

CDU baut an ideologischer Mauer durch Lateinamerika

Chávez-Äußerungen über Angela Merkel haben für Aufsehen gesorgt. Doch die Vorwürfe gegen die Politik der Union treffen zu

Nun hat Venezuelas Präsident Hugo Chávez auch noch der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Aufmerksamkeit verholfen. Knapp eine Woche vor dem EU-Lateinamerika-Gipfel in Peru hatte Chávez die deutsche Regierungschefin in seiner sonntäglichen Sendung "Aló Presidente" scharf kritisiert. Sie gehöre zu der "gleichen Rechten, die Hitler und den Faschismus unterstützt hat", wetterte Chávez, um dann zum Kernvorwurf zu kommen: Die Bundeskanzlerin habe Regierungschefs in Lateinamerika dazu aufgerufen, ihre Verbindungen zu Venezuela zu kappen.

Nun hat Chávez Merkel nicht mit Hitler gleichgesetzt, wie in den vergangenen Tagen wiederholt zu lesen war, sondern auf die institutionelle Vorgeschichte verwiesen. Daß die Zentrumspartei als Vorgängerin der CDU die Nazis mehrheitlich gestützt hat, ist dabei historisch ebenso wenig umstritten wie es in der Berichterstattung der vergangenen Tage eine Rolle gespielt hat. Und auch der eigentliche Vorwurf trifft zu: Gemeinsam mit Gesinnungsfreunden auf beiden Kontinenten schmieden die Berliner Konservativen an neuen Allianzen gegen die lateinamerikanische Linke mit Kuba, Venezuela, Bolivien und Ecuador an der Spitze.

In der vergangenen Woche hatten die Unionsfraktion, die Konrad-Adenauer-Stiftung und der Deutsche Industrie- und Handelstag zur Lateinamerika-Konferenz in den Bundestag geladen. Anders als vor dem letzten bilateralen Treffen in Wien 2006 war dabei keine Rede mehr von "den lateinamerikanischen Freunden". Angesichts der andauernden Linksentwicklung in der Region konzentrieren sich die Christdemokraten inzwischen nur noch auf eine Minderheit ihnen nahe stehender Regierungen, um mit ihnen den Widerstand gegen den "Populismus" zu stärken. Beleg dafür ist schon die Route der einwöchigen Lateinamerikareise, zu der Merkel am gestrigen Dienstag aufgebrochen ist. Nach der ersten Station in Brasilien geht es nach Lima, Kolumbien und Mexiko. Diese drei Staaten sind die letzten Statthalter des US-dominierten Neoliberalismus in der Region - und sie sind erklärte Gegner Venezuelas.

"Lateinamerika darf nicht länger als homogener Block gesehen werden", hatte die Vorsitzende der chilenischen Christdemokraten, Soledad Alvear, auf dem Unionskongress in Berlin gefordert. Es gebe "unterschiedliche Interessen und Ansichten" in Lateinamerika, "und das muss anerkannt werden". Die österreichische EU-Kommissarin für Außenbeziehungen, Benita Ferrero-Waldner, pflichtete Alvear bei: "Wir sind uns der Diversität bewusst", sagte die ÖVP-Politikerin. Die konservativen Kräfte Europas seien deswegen gefordert, ihre Politik entlang einer "neuen Linie von Tordecillas" umzusetzen. Diese Demarkationslinie hatte ab 1494 das spanische von dem portugiesischen Kolonialgebiet getrennt und war quer durch Lateinamerika verlaufen. Eine ähnliche Trennung soll nun im modernen Kampf um Lateinamerika vorgenommen werden: Der Großteil des Kontinents wird politisch aufgegeben, um das "pazifische Modell" zu stärken. Am Pazifik liegen Peru, Kolumbien und Mexiko - die drei Stationen Merkels. Die strategische Partnerschaft mit diesen Staaten soll auf eine neue Stufe gestellt werden: "Wir müssen unsere Partner zur politischen und sozialen Transformation befähigen und lokale Führungen aufbauen", sagte Ferrero-Waldner.

In der Basis der Christdemokratie bleibt die neue aggressive Linie gegen die Linke in Lateinamerika nicht ohne Widerspruch. Gleich zwei katholische Hilfsorganisationen, Caritas und Misereor, forderten Merkel zu Beginn ihrer Reise auf, auch ihre Gastgeber an die demokratischen Verpflichtungen zu erinnern. In Peru sind die Verbrechen wider die Menschenrechte während des Kampfes gegen die maoistische Guerilla 1980 bis 2000 nach wie vor nicht aufgearbeitet. In Kolumbien sind vier Millionen Menschen Flüchtlinge im eigenen Land, während das Regierungslager mit rechtsextremen Todesschwadronen paktiert. Bei der Unions-konferenz in Berlin zu Lateinamerika hat all das keine Rolle gespielt.


Den vollständigen Originaltext des Artikels in der Tageszeitung junge Welt finden Sie hier.