Parlament soll urbane Landreform beschleunigen

Gesetz wird Vergabe von Landtiteln in den Armenvierteln vereinfachen. Basisorganisationen fordern schnelle Verabschiedung

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Chávez bei der Vergabe von Landtiteln in Petare, Caracas
Chávez bei der Vergabe von Landtiteln in Petare, Caracas

Caracas. Das venezolanische Parlament soll den Prozess einer urbanen Landreform beschleunigen. Dies fordern Aktivisten aus der venezolanischen Stadtteilbewegung. Das Gesetz über die "Regularisierung der urbanen Siedlungen" wurde bereits im August 2009 in erster Lesung beschlossen. Seitdem dringen Basisorganisationen und Bewohner auf die endgültige Verabschiedung des Gesetzeswerks, das die Vergabe von Landtiteln für Häuser erlauben soll, welche sich auf Boden in Privatbesitz befinden. Am Freitag appellierte nun auch Präsident Chávez an die Nationalversammlung, das Gesetz endlich zu verabschieden. Bei der Vergabe von Landtiteln für etwa 21 Hektar Land an mehr als 6.000 Familien in Petare, einem Armenviertel im Osten von Caracas, forderte er die Parlamentspräsidentin Cilia Flores zu einem schnellen Handeln auf.

Hintergrund ist ein im Jahr 2002 begonnener Prozess der juristischen Anerkennung der "Barrios" genannten Armenviertel. Da diese durch Landbesetzungen entstanden sind, befinden sich die Bewohner der in Selbstbau entstandenen Häuser nicht in Besitz der Bodentitel. Um diesen Zustand zu ändern, hatte Präsident Chávez das Dekret 1.666 erlassen, das die Urbanen Landkomitees (CTU) schuf. Diese basisdemokratisch organisierten Komitees von Anwohnern bekamen die Aufgabe, ihr Wohnumfeld zu vermessen und die Besitzverhältnisse zu klären. Danach sollte der Staat den Bewohnern die Bodentitel übertragen.

Nach offiziellen Angaben existierten im August 2009 insgesamt 7.332 Landkomitees in Venezuela. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden 438.310 Landtitel vergeben, insgesamt profitierten also etwa zwei Millionen Menschen von der Vergabe. Doch lässt das Dekret 1.666 nur die Übergabe von Land zu, das sich in öffentlichem oder staatlichen Besitz befindet. Viele Barrios liegen jedoch auf ehemals privatem Grund, wodurch sie bisher von der Reform ausgeschlossen sind. Diesen Zustand soll das neue Gesetz ändern.

Der Text des neuen Gesetzes wurde von Basisorganisationen ausgearbeitet und in die Nationalversammlung eingebracht. Vertreter der CTU und anderer Basisorganisationen fordern seitdem die Verabschiedung. Sie erhoffen sich eine Radikalisierung der Landreform, indem die organisierten Nachbarschaften mehr Rechte bei der Gestaltung ihren Lebensumfeldes bekommen. Als eine Grundvoraussetzung hierfür sehen sie den formalen Besitz des Bodens, den sie bewohnen. Darüber hinaus sollen die Kommunalen Räte (Consejos Comunales) mehr Kontrolle über die Veränderung von Besitzverhältnissen bekommen. Zum Beispiel steht ihnen bereits ein Vorkaufsrecht zu, wenn Grundstücke den Besitzer wechseln.

Die Tatsache, dass das Gesetz nun schon über ein Jahr auf die Verabschiedung wartet, führen manche auf Widerstände innerhalb des chavistischen Lagers zurück, die den Gesetzgebungsprozess verzögerten. Innerhalb der Regierungspartei PSUV existiert eine starke Strömung, die zwar den politischen Prozess des Präsidenten und vor allem die Sozialprogramme mitträgt. Jedoch wollen viele eine Radikalisierung vermeiden. Im aktuellen Parlament sehen Vertreter verschiedener Basisorganisationen eine große Mehrheit dieser "gemäßigten" Strömung.