Venezuela

Vor Referendum in Venezuela

Angst vor Destabilisierung des Landes. US-Stiftung: Manipulation durch angebliche Umfrageergebnisse möglich

Wochenlang hatte die geplante Verfassungsreform in Venezuela für rege Debatten gesorgt. Regierungsanhänger und Oppositionelle hatten für ihre Position demonstriert, es hat mindestens einen Toten und viele Verletzte gegeben. Am Ende dann blieb nur noch eine Frage: "Stimmen Sie für diesen Entwurf für eine Verfassungsreform (...), der in zwei Blöcken vorgestellt wird und der von der Nationalversammlung unter Beteiligung des Volkes und auf der Basis eines Vorschlags von Präsident Hugo Chávez bestätigt wurde?" Gut 16 Millionen Venezolanerinnen und Venezolaner waren am gestrigen Sonntag aufgerufen, darüber zu entscheiden.

Die Wahlkampagne war am Freitag mit einer Massendemonstration der Regierungsanhänger in Caracas zu Ende gegangen. Die Opposition hatte bereits am Vortag zu ihrer zentralen Abschlusskundgebung mobilisiert. Vor Hunderttausenden Anhängern rief Staatschef Chávez am Freitag dann zur Unterstützung der Reform auf - und warnte deren Gegner: Wenn "die US-Regierung und die Oligarchie" Pläne zur Destabilisierung des Landes verfolgten, werde es bald "keinen Tropfen Öl mehr für die USA geben". Am Tag vor der Volksabstimmung dann war keine politische Werbung mehr erlaubt.

Unklarheit herrschte über die Prognosen. Die Vorhersagen hatten enorme Unterschiede aufgewiesen - je nach politischer Ausrichtung der Meinungsforschungsinstitute. Mark Weisbrot von dem linksliberalen Zentrum für Wirtschafts- und Politikforschung mit Sitz in der US-Hauptstadt Washington hatte vor der Abstimmung vor Manipulationsversuchen gewarnt. Schon während eines Referendums über die vorzeitige Abwahl des Präsidenten, das 2004 auf Drängen der Opposition anberaumt worden war, seien Ergebnisse gefälscht worden, um so die Stimmungslage zuungunsten der linken Staatsführung zu beeinflussen, sagte der Venezuela-Experte. Verantwortlich für die Manipulation sei damals das US-Institut Penn, Schoen and Berland gewesen. Die Firma sagte eine Niederlage Chávez mit 41 zu 59 Prozent voraus. Wenig später gewann der Präsident mit 58 Prozent der abgegebene Stimmen.

Nicht nur durch Umfragen wurde auch diesmal offenbar versucht, die Abstimmung zu beeinflussen. Für Aufregung sorgte am Freitag auch Sean McCormack, der Sprecher des US-Außenministeriums, mit der Behauptung, das Referendum werde nicht von Wahlbeobachtern überwacht. Tatsächlich sind beim Nationalen Wahlrat bis zu 1600 Beobachter akkreditiert, darunter über 100 internationale Experten.

Kurz vor der Abstimmung plädierte der Ombudsmann für Menschenrechte in Venezuela, Germán Mundaraín, noch einmal für "gegenseitigen Respekt", zumal vor den Wahllokalen Befürworter und Gegner der Reform aufeinanderträfen. "Nächstenliebe und Respekt vor anderen" sei die Basis für den Aufbau einer demokratischen Gesellschaft, mahnte Mundaraín. Mit ersten Ergebnissen der Abstimmung wird fühestens in der Nacht zum Montag (gegen 20 Uhr Ortszeit) gerechnet.


Den Originaltext in der Tageszeitung junge Welt finden Sie hier.