Venezuela

69 Verfassungsänderungen abgesegnet

Venezuelas Parlament beendet Diskussion der einzelnen Modifikationen der Konstitution

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69 Verfassungsänderungen abgesegnet
Nationalversammlung stimmt zu

Caracas. Die venezolanische Nationalversammlung hat am späten Mittwochabend (Ortszeit) mehrheitlich die letzten geplanten Verfassungsänderungen verabschiedet. Nach einwöchiger Diskussion der einzelnen Änderungen ist damit die Parlamentsdebatte beendet. Am kommenden Dienstag sollen die letzten Übergangsbestimmungen und anschließend die gesamte Verfassungsreform endgültig beschlossen werden. Danach wird das Projekt an den Nationalen Wahlrat (CNE) übergeben. Für Anfang Dezember ist dann als letzte Instanz eine Volksabstimmung geplant. Die Regierung ist zuversichtlich, diese für sich zu entscheiden.

Die Reform umfasst jetzt 69 Änderungen der Verfassung von 1999. Mitte August hatte Präsident Hugo Chávez die Modifikation von 33 Artikeln vorgeschlagen. Die Parlamentskommission zur Reform fügte auf Basis von tausenden Anträgen aus der ausgerufenen öffentlichen Debatte 25 weitere Änderungen hinzu. Außerdem wurden während der jetzt abgeschlossenen dritten Lesung im Parlament noch die Änderung weiterer 11 Artikel in die Reform aufgenommen.

Im Mittelpunkt der letzten Beratung stand die lange Diskussion des Artikels 337, der Regelungen im Falle der Ausrufung des Ausnahmezustandes enthält und die Einschränkung von Verfassungsrechten ermöglicht, sollte dieser erklärt werden. Die geplante Änderung dieses Paragraphen hatte zu Widerspruch sowohl von verschiedenen regierungsnahen Kräften und des Generalstaatsanwaltes wie auch von der Opposition geführt. Dem öffentlichen Druck gab das Parlament nun teilweise nach und nahm explizit die universelle Gültigkeit von weiteren Grundrechten wieder in den Artikel auf, darunter das Recht auf ein faires Verfahren und Verteidigung. Grundrechte wie das Recht auf Leben und das Verbot von Folter im Notstandsfalle standen nie zur Disposition. An der geplanten Einschränkung der Informationsfreiheit bei einem Ausnahmezustand hält die Parlamentsmehrheit nun aber fest. Damit reagierten die Abgeordneten auf die Rolle der privaten Medien während des gescheiterten Staatsstreichs von 2002, als private Fernsehsender sich direkt am versuchten Sturz des Präsidenten Chávez beteiligt hatten.

Parlamentspräsidentin Cilia Flores und zahlreiche Abgeordnete betonten, dass der Artikel 337 nicht zur Unterdrückung von Protesten missbraucht werden könne. Er betreffe Ausnahmesituationen, in denen die Regierung unter genau festgelegten Bedingungen zeitweilig den Notstand ausrufen könne. Oppositionelle Gruppen schenken dem kein Vertrauen und rufen trotz dem Entgegenkommen für die nächste Woche wieder zu Protesten auf.

Zu den wichtigsten Neuerungen der Reform gehört die verfassungsrechtliche Etablierung einer "Volksmacht" (poder popular). Neben den bisherigen Gremien des bürgerlich-parlamentarischen Systems sollen kommunale Räte als legitimer Bestandteil des Staatsapparates anerkannt werden. Zudem soll die künftige Verfassung neben dem Privateigentum andere Besitzformen anerkennen: kommunales, soziales und staatliches Eigentum. Außerdem soll ein Diskriminierungsverbot von Frauen und Homosexuellen aufgenommen werden, die tägliche Arbeitszeit auf sechs Stunden verkürzt und das Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt werden.


Quellen: Agencia Bolivariana de Noticias, Globovision, Venezuela-aktuell.de, Venezolana de Televisión.