Kuba

Stalin neben Trotzki in Kuba

Ein Redakteur der Tageszeitung junge Welt beschreibt das Zusammentreffen von Politik und Ideologie auf der Buchmesse in Havanna

Vielleicht ist es ganz gut, dass die mexikanische Friedrich-Engels-Stiftung unserer Halle noch keinen Besuch abgestattet hat. mehr...

Denn anders als ihr Name vermuten lässt, sind die Mexikaner glühende Anhänger Leon Trotzkis. Nur zwei Hallen neben den revolutionären Freunden hat der Kollege Ronald Koch vom Frankfurter Zambon-Verlag in unserem Ausstellungssaal das Buch "Stalin - anders betrachtet" des Belgiers Ludo Martens ausgestellt. "das Interesse an dem Buch hier ist enorm", sagt Koch, "ich hätte noch einige Kisten mitbringen können". Nicht so richtig begeistert ist Raimundo Gonzalez, der am Institut für Meteorologie beschäftigt ist und sich mit der Nutzung alternativer Energiequellen für Kuba befaßt. "Wer so etwas präsentiert, ist doch einfach bescheuert. Die Verbrechen Stalins überwiegen seine Verdienste meilenweit. "

Koch will nun weitere Stalin-Bücher nach Havanna schicken. An Interessenten gibt er noch die Adressen einer befreundeten Buchhandlung heraus, in der sie verkauft werden. Die trotzkistische Fraktion ist nicht weniger erfolgreich. In einem überfüllten Lesesaal stellt die Engels-Stiftung am Dienstag Trotzkis "Verratene Revolution" vor. Ein junger Vertreter, der mit Brille und Bartschnitt aussieht wie die Reinkarnation seines ideologischen Übervaters, stellt die Grundthesen des Trotzkismus vor, um dann die Zusammenarbeit Kubas mit China zu verurteilen, einem "Staat, der die Interessen der Arbeiter verraten hat". Dass Busimporte aus China das Transportproblem entschärft haben und auch die Stadtreinigung mit Fahrzeugen aus dem Reich der Mitte ausgestattet wurde, interessiert den revolutionären Ideologen nicht. Manchmal ist die Ideologie so wichtig, dass für Politik kein Platz mehr bleibt.

Trotzdem wird die trotzkistische Lesung von Celia Hart begleitet, der Tochter von Armando Hart, einem der wichtigsten Intellektuellen Kubas. Was beweist, dass ideologische Debatten in Kuba souveräner geführt werden, als mitunter angenommen wird.


Den Originaltext der Tageszeitung junge Welt können Sie hier lesen.