Bomben auf den Frieden

Kolumbien: FARC-Kommandant Reyes bei Militäraktion getötet. Bogotá rechtfertigt Verletzung des Territoriums Ecuadors. Chávez: Ähnliche Aktion wäre für Venezuela Kriegsgrund

operacion-fenix.png

Lage des Gebietes in dem der kolumbianische Luftangriff auf das FARC-Lager in Ecuador stattfand
Lage des Gebietes in dem der kolumbianische Luftangriff auf das FARC-Lager in Ecuador stattfand

Bei einem gemeinsamen Angriff der kolumbianischen Luftwaffe und des Heeres ist in der Nacht zum Sonntag der Kommandant und Sprecher der Guerillaorganisation Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens (FARC), Raúl Reyes, getötet worden. Bei dem Vorstoß auf das Feldlager der Rebelleneinheit starben neben Reyes 17 weitere Guerilleros, unter ihnen Julián Conrado, der als Musiker bekannt war. Die Rebellen wurden von dem Angriff im Schlaf überrascht.

"Es ist der schwerste Schlag, der dieser terroristischen Gruppe bislang zugefügt werden konnte", sagte Kolum­biens Verteidigungsminister Juan Manuel Santos am Samstag morgen auf einer eilends einberufenen Pressekonferenz in der Hauptstadt Bogotá. Nach Santos Angaben hatte ein Informant den Aufenthalt Reyes und weiterer Mitglieder der 48. Front der FARC an der Grenze zu Ecuador gemeldet. Die gezielte Ermordung Reyes’ könnte die derzeit laufenden Bemühungen von Guerilla und Regierung um einen Austausch der Gefangenen nachhaltig erschweren. Angehörige der FARC-Gefangenen äußerten sich deswegen besorgt.

Der 59jährigen Reyes war international als die "Nummer Zwei" der mit gut 20000 Mann größten Guerillaorganisation Kolumbiens bekannt. Er galt als möglicher Nachfolger des FARC-Gründers Manuel Marulanda. Reyes, der mit bürgerlichem Namen Luis Edgar Devia Silva hieß, war ein stetiger Fürsprecher einer friedlichen Lösung des sozialen und militärisches Konfliktes in Kolumbien. In der Amtszeit von Präsident Andrés Pastrana führte er zwischen 1998 und 2002 Friedensgespräche mit der Regierung. Auch im Ausland hatte er für einen diplomatischen Ausweg aus dem Konflikt geworben. 1997 war er in Costa Rica zum ersten und einzigen Treffen der FARC mit Vertretern der USA zusammengekommen.

Reyes hatte auch in internationalen Medien wiederholt auf die sozialen Ursachen des kolumbianischen Konfliktes hingewiesen. Mehrfach hatte er auch für junge Welt Kolumnen verfaßt. "Warum spricht im Norden niemand über die Folgen der Politik, die unseren Ländern seit kolonialen Zeiten aufgezwungen wird?" fragte er in seinem letzten Beitrag für diese Zeitung Ende Oktober vergangenen Jahres, um eine sozialistische Politik, wie sie in Lateinamerika von Politikern wie Hugo Chávez oder Evo Morales umgesetzt wird, als "historische Notwendigkeit" zu verteidigen. Die Europäische Union rief er auf, seine Gruppe von der Liste der "terroristischen Organisationen" zu streichen, um zu einer Politik des Dialogs zurückzukehren. Die FARC, schrieb Reyes damals, sei schließlich "eine Guerillaorganisation, deren legitimer Kampf sich gegen einen gewalttätigen Staat richtet." Mit seinem Tod hat sich dieses Urteil bestätigt. Auf der FARC-nahen Internetseite ANNCOL wurde der Angriff auf das Lager der Guerilla am Sonntag mit "selektiven Morden" verglichen, "die von den Agenten des Mossad im Mittleren Osten begangen werden".

Scharfe Reaktionen provozierte die Militäraktion auch in Ecuador. Nachdem Kolumbiens Präsident Alvaro Uribe offen zugegeben hatte, daß Armee und Luftwaffe seines Landes die Grenze zum Nachbarland überschritten haben, zog Quito seinen Botschafter aus Bogotá ab. In einer ersten Erklärung bestätigte das Präsidialamt Ecuadors, daß kolumbianische Soldaten "bis zu drei Kilometer auf unser Gebiet" vorgedrungen seien. Dies könnte "schwerste Folgen" haben, sagte Präsident Rafael Correa, der umfassende Untersuchungen ankündigte. Venezuelas Staatsoberhaupt Hugo Chávez äußerte sich "besorgt" darüber, "wie leichtfertig die Regierung in Bogotá die Verletzung der Souveränität eines Nachbarlandes eingestanden hat". Dann richtete Chávez eine direkte Warnung an seinen Amtskollegen in Bogotá. "Kommen Sie nicht auf die Idee, etwas ähnliches hier zu probieren", betonte er. "Eine militärische Intervention auf venezolanischem Gebiet wäre ein Kriegsgrund."