Amerikas

Aggressive Drohung trotz fehlender Belege

Washington erwägt Sanktionen gegen Venezuela wegen angeblicher Verbindung zur kolumbianischen FARC-Guerilla

Washington. Venezuela soll als "Unterstützer des internationalen Terrorismus" sanktioniert werden. Dafür will sich nach einem Bericht des New Yorker Wall Street Journal (WSJ) vom vergangenen Freitag die US-amerikanische Regierung einsetzen. Grund für die neue Offensive Washingtons seien "Beweise" des US-Geheimdienstes über eine Verbindung zwischen dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez und der Guerillaorganisation Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens (FARC). Nach Angaben des WSJ haben Redaktionsvertreter in Kolumbien "100 Dokumente" einsehen können, die einen Schluss zulassen: "Chávez hat den kolumbianischen Rebellen geholfen". Als Quelle nennt die Zeitung Computerdateien, die vom Laptop des FARC-Kommandanten Raúl Reyes stammen sollen. Kolumbianische Truppen hatten Reyes Anfang März bei einer Kommandoaktion auf ecuadorianischem Territorium ermordet.

Das WSJ wirft Chávez vor, er habe die FARC mit Boden-Luft-Raketen ausrüsten wollen. Demnach sollten die Guerilleros in den Mittleren Osten entsandt werden, um den korrekten Gebrauch der Waffen zu erlernen.

Die venezolanische Regierung bezeichnet alle Informationen, die von Reyes' Laptop stammen sollen, als Fälschungen. Kürzlich erst hatten gut zwei Dutzend US-Wissenschaftler nach Auswertung der bisher veröffentlichten "Reyes-Dokumente" festgestellt, dass die Regierung in Bogotá deren Inhalt "wesentlich übertrieben hat". Zum selben Schluss kam der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), José Miguel Insulza, bereits in der ersten Aprilhälfte: "Es gibt keine entsprechenden Beweise, und bislang hat kein Mitgliedsstaat der OAS - auch nicht die USA - entsprechende Beweise vorgelegt", sagte Insulza damals.

Die neuen Vorwürfe Washingtons gegen Venezuela erfolgen zu einem Zeitpunkt, zu dem die IV. Flotte der US-Seestreitkräfte in Gewässer vor Süd­amerika verlegt wird. Ihr neuer Kommandeur, Joseph Kernan, hat bis vor kurzem die Spezialkommandos der US Navy befehligt.


Den Originaltext der Tageszeitung junge Welt finden Sie hier.