Lateinamerika

Ernährungssouveränität als Ziel

Das neue Jahrbuch Lateinamerika behandelt auf vielseitige Art und Weise die Themen Lebensmittel und Ernährung

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Ernährungssouveränität als Ziel
Ernährungssouveränität als Ziel

Berlin. Es sind skandalöse Zahlen: Im vergangenen Jahr hungerten laut offiziellen Angaben der Organisation der Vereinten Nationen weltweit mehr als eine Milliarde Menschen, davon über 50 Millionen in Lateinamerika. Die Auswirkungen der aktuellen Wirtschaftskrise sind dabei noch nicht einmal berücksichtigt. Das neue "Jahrbuch Lateinamerika" beleuchtet in seinem 33. Erscheinungsjahr im Schwerpunkt die Ursachen des Hungers. Sie werden im Editorial mit falscher Prioritätensetzung des Nordens und verfehlter marktwirtschaftlicher Agrarpolitik benannt.

Als wichtigste Strategie gegen Hunger wird der Begriff der "Ernährungssouveränität" diskutiert. Dieser wurde 1996 von der Landarbeiterorganisation Via Campesina entwickelt und gilt als Gegenkonzept der sozialen Bewegungen zum verbreiteten Begriff "Ernährungssicherheit". Letzterer hat die reine Verfügbarkeit von Lebensmitteln zum Ziel. Das Konzept der Ernährungssouveränität sieht hingegen die Landbevölkerung, die paradoxerweise am meisten von Hunger betroffen ist, als Protagonistin der Hungerbekämpfung.

Unter anderem geht es darum, dass ländliche Gemeinschaften ihre natürlichen Ressourcen demokratisch kontrollieren, um Selbstbestimmung sowie nachhaltige und würdevolle Ernährung zu erreichen. In Lateinamerika ist das Konzept heute nicht mehr nur innerhalb der sozialen Bewegungen populär, sondern hat Eingang in agrarpolitische Debatten und Diskurse linker Regierungen gefunden. Real bewege sich hingegen noch wenig, wie die ersten zwei Beiträge des Jahrbuchs deutlich machen.

Nach einer Analyse der argentinischen Agrarwirtschaft und deren Nutznießer, wendet sich das Jahrbuch verstärkt kulturell-kulinarischen Besonderheiten des Subkontinents zu. Gemäß dem Titel geht es nicht nur um die Mittel zum Überleben, sondern berichten die verschiedenen Autoren auch "über Lebensmittel" in Lateinamerika. Neben zwei Beiträgen über die Bedeutung von Mais in Mexiko und Mittelamerika geht es um den Austausch von Kulturpflanzen zwischen Lateinamerika und Europa sowie exportorientierten Brokkolianbau in Guatemala. Zwei Beiträge über konkrete Projekte im Kleinen runden den Themenschwerpunkt ab.

Darüber hinaus finden sich in dem Buch Texte zum Drogenkrieg in Mexiko, dem Putsch in Honduras und Kommunalräten in Venezuela. Somit stellt das 33. "Jahrbuch Lateinamerika" nicht nur eine glänzende Einführung in Agrarpolitik und Ernährungskultur in Lateinamerika dar, sondern greift, wie für die Reihe üblich, auch andere aktuelle Themen mit auf.

Karin Gabbert, Michael Krämer et al. (Hg.): Jahrbuch Lateinamerika 33. Über Lebensmittel, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2009, 198 Seiten, 24,90 Euro.


Bild: dampfboot-verlag.de