Bolivien

Bolivien hofft weiter auf direkten Meereszugang

131 Jahre nach dem Verlust seiner Pazifikküste begeht Bolivien morgen den "Tag des Meeres". Sein Gasreichtum könnte die Karten neu mischen

La Paz. Noch immer hofft Bolivien auf einen direkten Meereszugang. Seinen Küstenstreifen hatte es 1879 an den Nachbarstaat Chile verloren. Seit dem verlorenen Pazifik-Krieg um Bodenschätze (Kupfer) und die regionale Vorherrschaft betrauern Staat und Gesellschaft in dem Binnenland den traumatischen Verlust mit Paraden ihrer Marineeinheiten vom Titicaca-See und der Ehrung des Volksheldes Eduardo Abaroa.

Das Klima zu Chile hat sich mit der Regierung der "Bewegung zum Sozialismus" (MAS) aber sichtlich entspannt. Seit 1962 haben die Nachbarländer auf Botschafterebene keine diplomatischen Beziehungen, lediglich Konsule werden ausgetauscht. Auch wenn Boliviens neue Verfassung die Forderung nach einem Pazifikzugang festgeschrieben hat, betont der Verteidigungsminister einen Tag vor dem "Tag des Meeres" die friedlichen Absichten seiner Regierung. "Das bolivianische Volk versteht genau, dass wir in unserer Verfassung die Meeresforderung konstitutionalisiert haben und dass diese Forderung auf friedlichem Weg verhandelt wird", kommentiert Rubén Saave eine Umfrage der Tageszeitung La Razón, nachdem die Mehrheit der Bolivianer Chile nicht als Feind betrachten. Trotz eines 13-Punkte-Planes bilateraler Annäherung zwischen Chile und Bolivien konnte bezüglich der freien Nutzung von Häfen und eines Landkorridors bisher keine Einigung erzielt werden.

Hilfe kommt aus Uruguay. Zuletzt hatte Präsident José "Pepe" Mujica das zentralbolivianische Cochabamba besucht und die kostenlose Nutzung seiner Atlantikhäfen angeboten. "Unser kleines Land hat keine fossilen Brennstoffe, was uns begrenzt. Bolivien aber hat davon genug", machte der seit Monatsbeginn regierende Ex-Guerillero sein strategisches Hauptinteresse klar. "Das wichtigste ist der Zugriff auf Boliviens Gas", unterstrich Mujica. Lateinamerikas "andere Länder der 'Gran Patria' bitte ich um Hilfe".

Diese Bitte zielt auf Argentinien. Ohne den Nachbarn kommen Bolivien und Uruguay nicht zusammen. Noch immer ist das Klima der "Brüderländer" verstimmt. Grund ist eine neu geplante Zellulose-Fabrik der chilenisch-schweizerischen Firma Montes del Plata in Uruguay. Diese soll noch größer sein als die schon bestehende in Botnia, die seit Inbetriebnahme 2007 wegen massiver Umweltverschmutzung für Proteste auf argentinischer Seite sorgte. Für Ende April wird ein Urteil des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag erwartet. Die Papierfabriken leiten Abwasser in den Rio de la Plata. Uruguay hat bestehende Abkommen mit Buenos Aires offen verletzt. Vielleicht hofft Mujica darum auf eine Vermittlung von Boliviens Staatschef Evo Morales. Ende März kommt Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner zu Gesprächen nach La Paz.

Damit bolivianisches Gas - das Land sitzt auf den zweitgrößten Reserven des Kontinents - in den Kleinstaat Uruguay strömen kann, muss es über argentinisches Territorium. Seit drei Jahrzehnten pumpt eine Pipeline zwischen zwei bis fünf Millionen Kubikmeter Gas von Bolivien an den Rio de la Plata. Eine Querverbindung nach Uruguay ist schon vorhanden. Bolivien könnte seinen Gasexport rasch verdoppeln. Es fehle allein an einer technischen Aufrüstung der Pipeline, so der bolivianische Energieminister Fernando Vincenti (MAS).

Für Gas und Öl will Uruguay die kostenfreie Nutzung seiner Industrie-Häfen in Nueva Palmira und Montevideo garantieren. "Wir haben Bolivien einen Zugang zum Atlantik angeboten", versprach der uruguayische Politiker des regierenden Linksbündisses "Frente Amplio". Neu ist das Angebot allerdings nicht. Längst kann Boliviens Exportwirtschaft auf Uruguays Hilfe zählen. "Eine Vorgängerregierung hat Bolivien in den 1990igern im Hafen Nueva Palmira eine Zone bereitgestellt. Über 1000 Kubikmeter Ladung stehen zur Verfügung, was aber nicht genutzt wird", wunderte sich der ehemalige Minister für Landwirtschaft. Auch mit Paraguay will man in Zukunft enger zusammenarbeiten. Das Dreierbündnis Uruguay, Paraguay, Bolivien (URUPABOL) besteht seit 1963. Seitdem ist in Sachen wirtschaftlicher Kooperation nur wenig passiert, ein Papiertiger mehr auf Lateinamerikas Landkarte regionaler Zusammenschlüsse.