Brasilien ruft die Welt auf, sich an der Globalen Allianz gegen Hunger und Armut zu beteiligen

Welthunger laut UN-Bericht in zehn Jahren um 36 Prozent gestiegen. Lula kritisiert parallelen Anstieg der weltweiten Rüstungsausgaben. Hunger in Brasilien sinkt

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Lula da Silva beim Treffen der Task Force: "Hunger ist ein Angriff auf das Leben, ein Angriff auf die Freiheit"
Lula da Silva beim Treffen der Task Force: "Hunger ist ein Angriff auf das Leben, ein Angriff auf die Freiheit"

Rio de Janeiro. Brasiliens Staatsoberhaupt Luiz Inácio Lula da Silva hat auf dem G20-Minister:innen-Treffen die Gründung einer "Globalen Allianz gegen Hunger und Armut" angekündigt. Im Zuge der brasilianischen Präsidentschaft der G20 sei das Ziel, die globale Ernährungsunsicherheit zu beseitigen.

"Die Teilnahme an dieser Ministertagung der Task Force, die den Grundstein für die Allianz gegen Hunger und Armut legt, ist einer der wichtigsten Momente in den 18 Monaten meiner dritten Amtszeit", sagte Lula. Die Bekämpfung der Ungleichheit stehe im Mittelpunkt der internationalen Agenda seiner Regierung.

In seiner Rede unterstrich er die historische Bedeutung des Vorhabens und verurteilte das Fortbestehen von Hunger und Armut trotz des vorhandenen Reichtums und der wissenschaftlichen und technologischen Ressourcen.

Lula kritisierte auch die Ungleichheit, die sich in den letzten Jahrzehnten durch die neoliberale Globalisierung verschärft habe: "Noch nie hatten so viele Menschen so wenig und so wenige so viel Reichtum konzentriert. Hunger ist die entwürdigendste aller menschlichen Entbehrungen. Er ist ein Angriff auf das Leben, ein Angriff auf die Freiheit", prangerte er an.

Die Welt produziere heute mehr als genug Nahrungsmittel, um den Hunger auszurotten: "Was fehlt, ist die Schaffung der Voraussetzungen für den Zugang zu Nahrungsmitteln". Gleichzeitig seien die Rüstungsausgaben im vergangenen Jahr um sieben Prozent auf 2,4 Billionen Dollar gestiegen: "Die Umkehrung dieser Logik ist ein moralisches Gebot, ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit, aber auch eine wesentliche Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung", betonte der Präsident.

Auf demselben G20-Treffen veröffentlichten fünf Sonderorganisationen der Vereinten Nationen (UN) ihren Bericht "The State of Food Security and Nutrition in the World" (Sofi), der die von Lula aufgegriffene kritische Lage zur Ernährungssicherheit insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent beschreibt.

Weltweit leiden über 730 Millionen Menschen an Hunger. Innerhalb von zehn Jahren ist diese Zahl um 36 Prozent gestiegen. Die globale Hungersnot bleibt das dritte Jahr in Folge extrem hoch. Mit Blick auf die UN-Agenda für nachhaltige Entwicklung äußert der Bericht Skepsis, ob Hunger und Ernährungsunsicherheit in der Welt bis 2030 beendet werden können. Globale Herausforderungen wie Wirtschaftskrisen, bewaffnete Konflikte und die Klimakrise würden die Situation weiter verschärfen.

Laut Präsident Lula "ist die Globale Allianz aus diesem politischen Willen und dem Geist der Solidarität heraus entstanden. Sie wird eines der wichtigsten Ergebnisse der brasilianischen Präsidentschaft der G20 sein“ mit der Absicht, Anstrengungen auf nationaler und internationaler Ebene zu bündeln.

Die Allianz soll sich im November 2024 während des G20-Gipfels in Rio de Janeiro offiziell zusammenfinden. Auch Staaten, die nicht der G20 angehören, können sich an dem Projekt beteiligen – entweder als Mitwirkende, Geber oder Begünstigte. Weitere Akteure wie Banken, philanthropische Einrichtungen und internationale Organisationen sollen einbezogen werden.

Wie die Finanzierung einer Welt ohne Hunger aussehen kann, ist im Welthungerbericht nicht klar definiert.

Der brasilianische Finanzminister Fernando Haddad sieht in der Besteuerung der Reichsten ein wirksames Mittel gegen den Hunger in der Welt. Laut Haddad könnte eine zweiprozentige Vermögensteuer jährlich zwischen 200 und 250 Milliarden US-Dollar einbringen. Das entspräche dem Fünffachen des Budgets, das die zehn größten multilateralen Banken für den Kampf gegen Hunger und Armut im Jahr 2022 vorgesehen hätten.

Der Finanzminister prangert die derzeitige Art der Besteuerung der Superreichen an. "Auf der ganzen Welt wenden die Superreichen eine Reihe von Tricks an, um die Steuersysteme zu umgehen, was die Spitze der Pyramide, die Systeme regressiv und nicht progressiv macht", so Haddad.

Bei der Vorstellung des Sofi wurde Brasilien auf der internationalen politischen Bühne für den Kampf gegen den Hunger im Land gelobt. Im Jahr 2023 konnte die landesweite Ernährungsunsicherheit in Brasilien um 85 Prozent reduziert werden. Während 2022 noch 17,2 Millionen Brasilianer:innen von schwerer Ernährungsunsicherheit betroffen waren, sank die Zahl auf 2,5 Millionen.

Seit 2014 war Brasilien nicht mehr auf der Welthungerkarte vertreten. Erst 2021 kehrte das Land auf die Karte zurück. Gründe waren die Corona-Pandemie und der Politikwechsel des damaligen ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro.

Anders als in Brasilien und weiteren lateinamerikanischen Ländern, wo die Ernährungsunsicherheit laut Sofi durch Investitionen in Sozialschutzprogramme zurückging, sind die Staaten des afrikanischen Kontinents am stärksten von der Krise betroffen. Sollte die gegenwärtige Entwicklung weiter fortschreiten, könnten bis 2030 beinahe 300 Millionen Menschen in Afrika chronisch unterernährt sein.