Santiago de Chile. Die Präsidentin von Chile, Michelle Bachelet, hat einen Gesetzentwurf unterzeichnet, der einen historischen Kurswechsel
in der Bildungspolitik des südamerikanischen Landes einleiten soll.
In einer Rede im Präsidentschaftspalast betonte die Präsidentin, dass diese Bildungsreform die bedeutsamste der letzten fünfzig Jahre sei: "Wir halten das Versprechen, das wir gegeben haben. Einen Prozess einzuleiten, der Qualität, Unentgeltlichkeit und Zugang zur Bildung sichert." Zudem versicherte sie, dass es sich bei den Vorhaben lediglich um den Anfang einer neuen Ära handle, in der die Bildung mehr wertgeschätzt würde.
Die Bildungsreform, gilt neben der Steuerreform und der Verfassungsänderung als eines der drei großen Vorhaben der Regierung unter Bachelet. Die derzeitigen Mehrheitsverhältnisse der regierenden Mitte-Links-Koalition im Kongress erlauben auch die entsprechende Umsetzung der Reformen.
Allerdings bezeichnen kritische Stimmen aus dem Bildungssektor die Reformen als nicht weitreichend genug und deuten an, dass diese somit nicht die Demobilisierung der sozialen Proteste bewirken werden. Auch ehemalige und aktuelle Vertreter der Schüler- und Studentenbewegung reagierten verhalten auf die lang erwarteten Reformvorhaben der Regierung. Die geplanten Projekte wurden als positiv jedoch nicht ausreichend bewertet. Insbesondere die ausbleibende Diskussion über die Qualität der Bildung sowie über die Stärkung der öffentlichen Bildung in Chile wurde von verschiedenen Vertretern kritisiert.
Giorgio Jackson, ehemaliger Sprecher der größten chilenischen Studentenvereinigung FECH, sagte dazu: "Wir brauchen ein viertes Projekt, welches von großer Bedeutung ist, das sich mit der Rolle der öffentlichen Bildung auseinandersetzt. Die öffentliche Bildung muss gestärkt werden, damit der Staat in der Bildung nicht nur eine subsidiäre Rolle einnimmt."
Die aktuelle Sprecherin der Studentenvereinigung, Melissa Sepúlveda, fand noch deutlichere Worte für die geplante Bildungsreform. Ihr zufolge wurde der Entwurf hinter verschlossenen Türen erarbeitet und entspricht keinem umfassenden Reformprojekt. "Es ist von Maßnahmen die Rede, die den Positionen der Studentenbewegung teilweise widersprechen. Die zerstückelten Gesetzesprojekte gehen nicht auf die Forderung der Sozialbewegungen nach einer umfassenden Reform ein, nämlich der vollständigen Neuformulierung des Bildungssystems", so Sepúlveda.
Als Reaktion auf die Kritik der Studentenbewegung nahm die Präsidentin auf einer Rede im Kongress vergangenen Mittwoch zu einigen Punkten Stellung, die bislang nicht im Reformpaket enthalten sind. So gab Bachelet an, dass sich ein Expertenteam mit der Frage auseinandersetzen wird, wie man die Situation derjenigen, die sich für ein Studium verschulden mussten, erleichtern könnte. Hinsichtlich der Unentgeltlichkeit sagte sie, dass der Prozess, alle Studenten von Beitragszahlungen zu befreien, sechs Jahre dauern würde. "Während meiner vierjährigen Amtszeit werden wir siebzig Prozent der Studenten von den Beiträgen befreien können, aber das Projekt ist angelegt, hundert Prozent zu erreichen."
Die geplanten Änderungen im Bildungssektor sollen durch eine Steuerreform finanziert werden. Diese wurde bereits vergangene Woche von der Abgeordnetenkammer bewilligt. Durch progressive Besteuerung sollen mindestens acht Milliarden US-Dollar erwirtschaftet werden, von denen fünf Milliarden für die Bildungsreform ausgegeben werden sollen.
Hinsichtlich der Unentgeltlichkeit der Schulbildung sieht der Entwurf vor, dass die Beiträge, die Eltern bislang für den Schulbesuch ihrer Kinder aufwenden mussten, vom Staat übernommen werden.
Das zweite Reformprojekt verbietet den Bildungsinstitutionen, die durch staatliche Gelder unterstützt werden, auf Noten basierende Auslesemechanismen anzuwenden. So sollen künftig nicht die Noten über die Aufnahme entscheiden, vielmehr sollen die Eltern die Schulen für ihre Kinder aussuchen können.
Das dritte Reformprojekt geht auf eine der Hauptforderungen der Studentenbewegung ein. Zukünftig soll es in Chile unmöglich sein, durch Bildung hohe Profite zu erwirtschaften. Dazu sieht die Regierung vor, dass diejenigen Institutionen, die durch öffentliche Gelder unterstützt wurden, ihre Gewinne in die Qualitätssteigerung der Bildung reinvestieren müssen. Innerhalb von drei Jahren sollen diese Institutionen in Einrichtungen ohne Gewinnstreben umgewandelt werden.