Wissenschaftsverbände in Argentinien kämpfen gegen Kürzungen

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Das Conicet feierte diese Tage sein 66jähriges Bestehen
Das Conicet feierte diese Tage sein 66jähriges Bestehen

Buenos Aires. In Argentinien versucht die Wissenschaft, die von Präsident Javier Milei angekündigten radikalen Kürzungen zu verhindern.

Mehr als 10.000 im Wissenschaftsbereich Tätige haben ein Protestschreiben unterzeichnet, das im Beisein von rund 300 Personen an Daniel Salamone, den von Milei eingesetzten Präsidenten der staatlichen Forschungsförderagentur Conicet übergeben wurde. Ebenfalls anwesend war Alejandro Cosentino, neuer Staatssekretär für Innovation, Wissenschaft und Technologie.

Zwar scheint Mileis Wahlkampfdrohung, Conicet zu privatisieren oder ganz zu schließen, vom Tisch. Doch die Mittelkürzungen und die geplante Neuausrichtung gefährden Teile der Wissenschaftsproduktion des Landes.

Der 1958 gegründete Nationale Rat für wissenschaftliche und technische Forschung (Conicet), dessen Leiter der Mediziner und Nobelpreisträger Bernardo A. Houssay (1887-1971) war, fördert Forschung in allen Wissensbereichen. Über Stipendien und Projektförderung werden bisher rund 40 Prozent der Bundesmittel für Forschung und Entwicklung vergeben.

Im Conicet arbeiten rund 23.500 Forscher:innen und Doktorand:innen, 2.900 Techniker:innen und 1.500 Verwaltungsmitarbeiter:innen. Sie sind in mehr als 320 Forschungs- und Transferzentren sowie Instituten tätig, oft neben ihrem Hauptjob an einer Universität. Das Jahresbudget betrug 2023 rund 200 Milliarden Pesos, was Anfang Dezember 2023 rund 505 Millionen Euro entsprach (aktuell 219 Millionen Euro).

Die Petition richtet sich gegen die von Milei angestrebte Marktorientierung der Forschung, die sich auch in der neuen Führungsriege zeigt. Staatssekretär Cosentino ist Betriebswirt, der im Banken- und Technologiesektor tätig war und mit Online-Finanzdienstleistungen zu Geld und Einfluss kam. Conicet-Chef Salamone ist Veterinärmediziner, der seine Forschung auf das Klonen von Tieren konzentriert und ein Unternehmen für künstliche Rinderbefruchtung betreibt.

Die Petition verlangt auch, die Maßnahmen rückgängig zu machen, die das Management ergriffen hat. Gefordert wird zudem, Stipendien und Projektförderung wie bisher nach wissenschaftlichen Kriterien zu vergeben und bereits ausgewähltes Personal einzustellen. Ebenso sollen bewilligte Projekte weiter finanziert, Entlassungen zurückgenommen und eine Sonderzahlung zum Inflationsausgleich gewährt werden.

Mit Mileis neuer Förderpolitik sollen die Institute und Laboratorien dagegen selbst privates Kapital auftreiben. Auch Salamone ist der Ansicht, dass Conicet "überfüllt" sei und "einer der großen Mängel darin besteht, dass die Investitionen vom Staat getätigt werden."

Obwohl Conicet laut mehreren Rankings die beste wissenschaftliche Förderagentur Lateinamerikas ist, scheint Mileis Regierung eine Aushöhlung anzustreben. Angedroht ist ein Zahlungsstopp bei Promotions- und Forschungsstipendien, auch von 1.200 bereits positiv begutachteten Projekten, und die Entlassung von Mitarbeiter:innen. Auch die 29 staatsfinanzierten Nationalen Universitäten mussten um die Mittelzuweisung zur Zahlung der Januargehälter kämpfen.

Viele gut ausgebildete Nachwuchswissenschaftler:innen sehen für sich daher immer weniger eine Zukunft im Land, es droht ein Exodus. "Die jungen Leute gehen bereits. Oft bekommen sie im Ausland Stellen, die ihnen bessere Arbeitsbedingungen und größere Wertschätzung bieten. Niemand mag es, verachtet zu werden", sagte Valeria Levi, Prodekanin der Fakultät für Exakte Wissenschaften an der Universität von Buenos Aires und Conicet-Forscherin. 

Angesichts dieses Szenarios haben sich knapp 200 Conicet-Direktor:innen seit Jahresbeginn zu der Initiative "Netzwerk der Autoritäten in Wissenschaft und Technologie“ (Rede de Autoridades en Ciencia y Tecnología, Raycit) vereint. Auch Mitglieder von Universitäten und anderen Instituten beteiligen sich. Raicyt bietet Rechtsberatung, hat Ausschüsse eingerichtet und versucht nun, im Kontakt mit Presse und Parlamentarier:innen Lobbyarbeit zu betreiben.