Gesetz in Chile für therapeutischen Abort

Präsidentin Bachelet: Absolutes Verbot verletzt Würde der Frauen und bedroht ihr Leben. Widerstand in rechten Kreisen und beim Koalitionspartner

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Präsidentin Bachelet bei der Unterzeichung des Gesetzentwurfs am vergangenen Samstag
Präsidentin Bachelet bei der Unterzeichung des Gesetzentwurfs am vergangenen Samstag

Santiago de Chile. Die chilenische Präsidentin Michelle Bachelet hat einen Gesetzentwurf zur Legalisierung des therapeutischen Schwangerschaftsabbruchs unterzeichnet. Dieser sieht eine Lockerung des aktuell geltenden absoluten Abtreibungsverbotes in drei Fällen vor: bei Lebensgefahr der Mutter, wenn der Fötus keine Überlebenschancen hat und bei Schwangerschaft aufgrund von Vergewaltigung.

Bachelet kommt damit einem wichtigen Punkt ihrer Regierungsagenda nach und bezieht zudem eine klare Position in der hitzigen Debatte über die reproduktiven Rechte der Frauen in Chile. "Die Kriminalisierung der Abtreibung stellt zweifelsohne eine Verletzung der internationalen Verpflichtungen Chiles dar", so die Präsidentin nach der Unterzeichnung. Sie mahnte an, dass ein Legalisierungsgesetz unumgänglich sei, da die aktuelle Situation nicht nur die Würde der Frauen verletze, sondern auch ihr Leben bedrohe. Nach Schätzungen gebe es in Chile zwischen 70.000 und 140.000 heimliche Abtreibungen pro Jahr, die das Leben der betroffenen Frauen gefährden.

Mit ihrem Vorhaben stößt die Präsidentin sowohl in den eigenen Reihen als auch in der Opposition auf Widerstand. So hatten Abgeordnete des Koalitionspartners Democracia Cristiana vorgeschlagen, den Gesetzentwurf in drei Teile zu untergliedern, um getrennt darüber abzustimmen. Aus rechtskonservativen Kreisen wurde die Befürchtung laut, das Gesetz könne einer vollständigen Liberalisierung des Abreibungsgesetzes den Weg ebnen.

Für Aufsehen sorgte zudem die Reaktion von Ignacio Sánchez, dem Direktor der Katholischen Universität. Der Mediziner sprach sich entschieden gegen das Projekt aus und versicherte, dass in den Gesundheitszentren der Universität keine Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden würden. "Sollten Ärzte unseres Netzwerks dazu bereit sein, Abtreibungen durchzuführen, müssen sie sich woanders Arbeit suchen", so Sánchez. Er beruft sich dabei auf das Recht auf Verweigerung, das im Gesetzentwurf der Präsidentin vorgesehen ist. Demnach sollen behandelnde Ärzte das Recht haben, Aborte aus Gewissensgründen zu verweigern, insofern damit nicht das Leben der Patientin gefährdet ist und die Behandlung von einem Kollegen garantiert werden kann.

Diese Reaktion zeigt, dass das Gesetzesprojekt trotz voraussichtlicher Verabschiedung angesichts der parlamentarischen Mehrheit der Regierungskoalition viel Konfliktpotenzial birgt. Bereits im Dezember war es im Kontext der Debatte zu Kontroversen gekommen. Die ehemalige Gesundheitsministerin musste von ihrem Amt zurücktreten, nachdem sie in einem Interview die Doppelmoral der reichen konservativen Sektoren des Landes kritisiert hatte. Diese seien zwar gegen die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, gleichzeitig ließen jedoch gerade diese Familien ihre Töchter in Privatkliniken abtreiben. "Die Personen, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügen, brauchen keine Gesetze", so die Ministerin wenige Stunden vor ihrem Rücktritt.

Frauenorganisationen kritisieren das Projekt dagegen als unzureichend. Die Ausnahmen beträfen nur drei Prozent der Fälle, in denen Frauen derzeit abtreiben. Siomara Molina, eine Sprecherin feministischer Gruppen aus Los Ríos, sagte, es sei zu befürchten, dass damit die Idee einer vollständigen Entkriminalisierung "begraben" werde, so, wie es in den lateinamerikanischen Ländern bereits geschehen sei, in denen Straffreiheit nur in einigen wenigen Ausnahmen gelte.

Chile ist weltweit eines der Länder, das den Schwangerschaftsabbruch in allen Fällen verbietet. Nachdem die therapeutische Abtreibung 1989 unter dem Diktator Augusto Pinochet verboten wurde, scheiterten zahlreiche Gesetzentwürfe am Widerstand der konservativen Gesellschaftssektoren und der Kirche. Deren Einfluss trägt in Chile entscheidend dazu bei, dass Reformen des Scheidungsrechts, der reproduktiven Rechte und der Rechte Homosexueller einen schwierigen Stand haben.