Verfahren wegen Korruption gegen Politiker in Brasilien

Ranghohe Politiker im Visier der Justiz. Vorwürfe der Bestechlickeit und Geldwäsche im Petrobras-Skandal. Linke fürchten um Staatskonzern

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Gewerkschafter hatten zu einer Kundgebung in Rio de Janeiro  zur Verteidigung von Petrobras aufgerufen. Unter den Teilnehmern: Ex-Präsident "Lula" da Silva (Bildmitte)
Gewerkschafter hatten zu einer Kundgebung in Rio de Janeiro zur Verteidigung von Petrobras aufgerufen. Unter den Teilnehmern: Ex-Präsident "Lula" da Silva (Bildmitte)

Brasília. Der Oberste Gerichtshof Brasiliens hat grünes Licht für Ermittlungen gegen 49 hochrangige Politiker gegeben. Unter ihnen sind 22 Bundesabgeordnete, zwölf Senatoren, ehemalige Gouverneure, einstige Minister und ein Ex-Präsident. Generalstaatsanwalt Rodrigo Janot wirft ihnen Bestechlichkeit und Geldwäsche bis hin zur Bildung einer kriminellen Vereinigung im Korruptionsskandal um den Erdölriesen Petrobras vor.

Gegen Präsidentin Dilma Rousseff liegt kein Verdacht vor, obwohl sie von 2003 bis 2010 dem Verwaltungsrat von Petrobras vorstand und die Opposition deswegen ein Amtsenthebungsverfahren erwägt. Auch Oppositionsführer Aécio Neves kann aufatmen: Der PSDB-Politiker stand zwar auf der Verdachtsliste von Janot, wurde aber mangels konkreter Indizien von den Ermittlungen ausgeschlossen. Im Visier ist aber der jetzige Senator und ehemalige Staatspräsident Fernando Collor, der bereits 1992 in einen Korruptionsskandal verwickelt war und zurücktreten musste.

Fast alle Verdächtigen gehören der Basis der Regierung Rousseff an. Sechs gehören ihrer Arbeiterpartei PT an, darunter auch ihre Vertraute Ex-Ministerin und heutige Senatorin Gleisi Hoffmann. 32 Politiker gehören dem konservativen Partner PP an und sieben stammen aus der wichtigsten Koalitionspartei PMDB. Dieser Partei, die zu Teilen bereits aus der Regierung ausgeschert ist und zunehmend Oppositionspolitik betreibt, gehören die beiden prominentesten Verdächtigen an: Senatspräsident Renan Calheiro und Parlamentspräsident Eduardo Cunha.

Grundlage der Ermittlungen sind Kronzeugenaussagen von Unternehmern und ehemaligen Petrobras-Managern, die die Politiker mit der Korruptionsaffäre in Verbindung bringen, in deren Mittelpunkt große Baufirmen und der halbstaatliche Ölkonzern Petrobras stehen. Mindestens neun Baufirmen sollen ein Kartell gebildet haben, das mittels Bestechungen lukrative Petrobras-Aufträge an Land zog. Für die Aufträge wurden überteuerte Preise berechnet, von denen ein fester Prozentsatz gewaschen und an die Politik weitergeleitet wurde. Teilweise ging das Geld direkt in die Taschen der Politiker, die die korrupten Manager auf ihre Posten bei Petrobras gehievt haben, teils floss es in Wahlkampfkassen. Die Summe des im Zeitraum von zehn Jahren zweckentfremdeten Geldes wird auf über drei Milliarden Euro geschätzt.

Bislang betrafen die Ermittlungen vor allem Führungskräfte von Petrobras und der Baufirmen. Zahlreiche Manager sitzen seit Monaten in Untersuchungshaft. Jetzt geht es den Politikern an den Kragen. Auch wenn die Regierung Rousseff wegen ihrer Nähe zu Petrobras unter Druck steht, bedeutet die Veröffentlichung der Verdächtigten-Liste am 6. März einen Schlag vor allem gegen den Kongress. Dieser war bei der Wahl im Oktober deutlich nach rechts gerückt. Zudem setzte sich der erklärte PT-Gegner Cunha als Parlamentspräsident durch und macht Rousseff seitdem das Leben schwer.

Die Schwächung des ihr feindlich gesonnenen Kongresses könnte Rousseffs Regierungsfähigkeit und ihre Verhandlungsoptionen verbessern. Aber es ist auch möglich, dass es jetzt endgültig zum Bruch zwischen PT und PMDB kommt. Cunha wie Parteikollege Renan im Senat werfen der PT schon vor, durch Einflussnahme bei der Staatsanwaltschaft dafür verantwortlich zu sein, dass beide Namen auf der Liste stehen.

Für Rousseff geht es bei dem Skandal allerdings nicht nur um Parteiengezänk. Die ohnehin angeschlagene Wirtschaft kann bald in Mitleidenschaft gezogen werden. Denn die Ermittlungen beeinträchtigen die ökonomische Zugkraft des Ölkonzerns und zahlreiche Infrastruktur-Projekte der großen Bauunternehmen.

Von linker Seite wird indes auf eine differenzierte Wahrnehmung des Skandals gepocht. Gewerkschafter und Aktivisten sozialer Bewegungen plädieren zwar für eine konsequente Bestrafung aller Korruption, sehen aber in der vor allem von Medien getragenen Kampagne gegen Petrobras einen Versuch, das Unternehmen zu schwächen und eine Privatisierung gesellschaftsfähig zu machen. Sogar Ex-Präsident Luis Ignácio "Lula" da Silva nahm an einer Kundgebung in Rio de Janeiro teil, auf der zur Verteidigung von Petrobras aufgerufen wurde.