Regierung in Kolumbien streitet Existenz von Folter ab

Im "neuen Kolumbien" werde nicht gefoltert, behauptet die Regierung Santos. UN-Experte äußert starke Bedenken in Bezug auf die Menschenrechtslage

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Plakat in Solidarität mit den Gefangenen: "Der kolumbianische Staat foltert - 9.500 politische Gefangene, Tausende Verschwundene, 5,4 Millionen Vertriebene"
Plakat in Solidarität mit den Gefangenen: "Der kolumbianische Staat foltert - 9.500 politische Gefangene, Tausende Verschwundene, 5,4 Millionen Vertriebene"

Bogotá. Auf Aufforderung des Komitees gegen Folter der Vereinten Nationen hat sich die kolumbianische Regierung am 30. April 2015 in Genf zu den Vorwürfen der UNO geäußert. Das UN-Komitee hatte heftige Bedenken an der angeblichen Verbesserung der Menschenrechtslage im Land bezüglich der Folter formuliert. Die Regierung von Präsident Juan Manuel Santos wurde in einer dreistündigen Sitzung aufgefordert, zu 30 kritischen Nachfragen bezüglich ihres Berichts Stellung zu beziehen. Jedoch blieben laut Beobachtern die meisten Fragen unbeantwortet.

In der Vorstellung des Berichts der Regierung Santos über Folter in Kolumbien versicherte die Vorsitzende der Straf- und Vollzugsabteilung des Innenministeriums, Marcela Abadía Cubillos, dass Folter keineswegs als politisches Instrument seitens der Regierung eingesetzt werde, sondern, im Gegenteil, die Regierung an Aufklärung, Verurteilung und Verfolgung von Folter interessiert sei. Im heutigen "neuen Kolumbien" würden die Institutionen die Menschenrechte bereits schützen, auch wenn noch Herausforderungen blieben. Abadía unterstrich: "Der kolumbianische Staat macht sich in keiner erdenklichen Weise für Handlungen gegen die Würde des Menschen schuldig.”

Die in der Sitzung anwesenden Vertreter unterschiedlicher Länder schätzen die Lage allerdings eher gegensätzlich ein und forderten von Kolumbien eine Erneuerung der Gesetze und Maßnahmen, eine Verbesserung des Opferschutzes zum Beispiel bei Säureattacken und staatlichen Zwangskastrationen von behinderten Menschen.

Besonders dramatisch seien laut Jens Modvig, Menschenrechtsexperte der Vereinten Nationen, die Situation in den Gefängnissen und die Sicherheitslage für Frauen sowie Homosexuelle. Er äußerte starke Bedenken in Bezug auf die Menschenrechtslage allgemein sowie bezüglich der Praxis des "Verschwindenlassens". So wollte er von der kolumbianischen Regierung unter anderem wissen, wie viele Verschwundene es in den letzten Jahren gegeben habe. Ebenfalls wurde eine Erklärung der geplanten Maßnahmen gegen Straflosigkeit in Fällen von Menschenrechtsverletzungen gefordert.

Auch die anwesenden Vertreter von Menschenrechtsorganisationen wie der Kolumbianischen Koalition gegen Folter (CCCT) stellten eine andere Realität im Land dar: Von Zwangsrekrutierungen seitens des kolumbianischen Militärs, das auf Busbahnhöfen oder in Dörfern flächendeckend junge Männer ohne Militärausweis "entführe" und in Kasernen verschleppe, wurde unter anderem berichtet. Das CCCT sagte entgegen der Regierung aus, dass Folter in Kolumbien Teil eines gängigen Regierungsdispositivs sei.