Brasilien / Soziales

Brasilien weltweit führend im Kaiserschnitt

Tendenz soll Folge von Bestimmungen des Gesundheitssystems sein. Kaiserschnitte sind für Ärzte rentabler.

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In Brasilien sind Geburten per Kaiserschnitt zur Regel geworden.
In Brasilien sind Geburten per Kaiserschnitt zur Regel geworden.

Brasília. Mit einem Gesamtdurchschnitt von 52 Prozent und rund 84 Prozent unter Privatversicherten steht Brasilien bei Geburten per Kaiserschnitt. Dieser sehr hohe Anteil deutet darauf hin, dass der Eingriff in Brasilien nicht länger eine in Notfällen angewandte Methode darstellt, sondern zur Regel geworden ist. Dabei weist die Entbindung per Kaiserschnitt, die so genannte Sektio, von der Richtlinie der WHO ab. Diese empfiehlt ein Maximum von 15 Prozent Sektio-Geburten. Insbesondere aufgrund des Aspekts der gesteigerten Rate an Frühgeburten und dem damit verbundenen erhöhten Krankheitsrisiko, des Ausbleibens der speziellen bei einer natürlichen Geburt produzierten Hormone und der verhältnismäßig längeren Erholungszeit der Mutter wird der bereits im Vorhinein vereinbarte Kaiserschnitt als problematisch eingeschätzt.

Während sich Initiativen wie Rede Cegonha, die Einrichtung so genannter Geburtshäuser und ein Anfang Juni 2015 von der Gesundheitsbehörde ANS ins Leben gerufenes Projekt zur Förderung natürlicher Geburten darum bemühen, der seit den siebziger Jahren bestehenden Tendenz zum Kaiserschnitt entgegenzuwirken, ist der entsprechende Bereich des Gesundheitssystem nur sehr unzureichend darauf vorbereitet, natürliche Geburten durchzuführen. Infolge der logistischen, juristischen und auch der finanziellen Ausgangslage stoßen Mütter, die keinen oft weit im Voraus terminlich vereinbarten Kaiserschnitt durchführen wollen, auf große Schwierigkeiten bei der Suche nach professioneller Begleitung während der Schwangerschaft und der Geburt.

Nach Meinung von Experten wie Etelvino Trindade, dem Präsidenten des Facharztverbandes Febrasgo ist die gegenwärtige Situation in Brasilien in erster Linie auf eine gesetzliche Veränderung aus den siebziger Jahren zurückzuführen. Demnach muss neben einer Hebamme ein Arzt oder eine Ärztin die ganze Zeit über während der Geburt präsent sein, wobei diese passive Präsenzzeit nicht entlohnt wird. Dies führt gemeinsam mit den Bestimmungen der für die Krankenversicherungen zuständigen ANS dazu, dass ein Arzt für einen wesentlich weniger Zeit in Anspruch nehmenden Kaiserschnitt nahezu das Gleiche verdient wie für eine natürliche Geburt. Zudem ist die terminliche Planbarkeit ein wichtiger Aspekt, der dazu führt, dass für die die Geburt begleitenden Ärzte ein Kaiserschnitt finanziell wesentlich interessanter ist.

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Auch die Schulung an den Universitäten ist ein ausschlaggebender Faktor für die Tendenz zum Kaiserschnitt. Da kaum Möglichkeit zur Assistenz bei einer natürlichen Geburt bestehen, mangelt es angehenden Ärzten an Erfahrung und folglich an Sicherheit bei der Begleitung des natürlichen Geburtsprozesses. Zudem macht das Gesetz die Ärzte für etwaige Komplikationen in vollem Umfang haftbar.

Während die Zahl der Kaiserschnitte zunimmt, sind die Entbindungsstationen oft nur unzureichend auf die Durchführung einer natürlichen Geburt vorbereitet. Um nicht das Risiko einzugehen, im Moment der Geburt keine angemessene Behandlung erhalten zu können, entscheiden sich daher viele werdende Mütter für eine Sektio. Eine weitere Rolle spielt die ärztliche Beratung, wie etwa eine Studie der Medizinstiftung Fiocruz belegt. Dabei würden Frauen oft geradezu zu einem Kaiserschnitt überredet.

Entscheiden sich Frauen für eine natürliche Geburt, wird nicht selten ein Wechsel des Gynäkologen notwendig. Dieser Wechsel wird jedoch zusätzlich erschwert, wenn der zuständige Arzt der Durchführung einer natürlichen Geburt zunächst zusagt und schließlich im Laufe der Begleitung der Schwangerschaft sein Einverständnis zurückzieht. Den Extremfall bilden Situationen, in denen der Gynäkologe seine Dienste unmittelbar vor der Geburt verweigert. Um solche Vorkommnisse und die notgedrungene Entscheidung für einen Kaiserschnitt zu vermeiden, empfehlen Experten eine dringende Reform des Gesundheitssystems im Bereich von Schwangerschaftsbetreuung und Entbindung.