Kritik aus Lateinamerika an Flüchtlingspolitik der Bundesregierung

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Graffiti als Protest gegen Asylpolitik
Graffiti als Protest gegen Asylpolitik

München/Dresden. Zahlreiche Personen und Organisationen aus Lateinamerika haben einen Offenen Brief an Kanzlerin Angela Merkel, Innenminister Thomas de Maizière und den Ministerpräsidenten von Sachsen, Stanislaw Tillich zur Situation von Geflüchteten in diesem Bundesland unterzeichnet. Er wurde vom Ökumenischen Büro für Frieden und Gerechtigkeit e.V. in München initiiert und am Montag veröffentlicht. 

Menschenrechtsorganisationen und bekannte Persönlichkeiten aus Mexiko, Zentralamerika und Kolumbien kritisieren in dem Brief scharf die menschenunwürdigen Zustände in den deutschen Aufnahmelagern. "Die Unterbringungssituation der Asylsuchenden stellt eine klare Verletzung ihrer elementarsten Rechte dar," schreiben die Autoren: "Immer mehr Menschen (werden) gerade in Zeltlagern ohne ausreichende Sanitäranlagen und mit mangelhaftem Zugang zu medizinischer Versorgung zusammengepfercht". Sie werfen der Bundesregierung vor, die Unterkünfte nicht wegen fehlender Mittel unterzuversorgen, sondern unterstellen fehlende Planung.

Auch die steigende Zahl der Angriffe gegen Geflüchtete und Migranten im gesamten Bundesgebiet wird in dem Brief als politisches Versagen scharf kritisiert: "Es ist höchst alarmierend, mit welcher Passivität und Nachlässigkeit die staatlichen Behörden mit solchen Angriffen umgehen – insbesondere die Polizei, die den Aggressoren gegenüber ein beinahe entgegenkommendes Verhalten zeigt." Die Unsicherheit, die mit der steigenden Zahl von Angriffen einhergehe, betreffe das gesamte Bundesgebiet aber gelte "insbesondere für den Freistaat Sachsen, die Stadt Dresden und ihre Umgebung". In dieser Region erstarken neonazistische und ultrakonservative Gruppen, die "von staatlicher Seite weitgehend ungestört" agieren könnten.

Die Unterzeichner fordern unter anderem, die Sicherheit der Asylsuchenden in Deutschland zu garantieren und Aggressionen gegen sie zu verfolgen und zu bestrafen. Sie fordern zudem, Wirtschaftsmigration als Asylgrund anzuerkennen und die europäischen Grenzen zu öffnen.

Das Ökumenische Büro hat rund 50 Erstunterzeichner vereint, darunter das Netzwerk "Alle Rechte für alle" aus Mexiko, das allein 75 Menschenrechtsorganisationen umfasst, den 2012 für den Friedensnobelpreis nominierten mexikanischen Bischof Raúl Vera, den Träger des Menschenrechtspreises 2011 von Amnesty International, Abel Barrera und die kolumbianische Anwältin Liliana Uribe sowie die indigenen Organisationen COPINH und OFRANEH aus Honduras.

Daniel Tapia vom Ökumenischen Büro bezeichnete die Unterschriften in einer Pressemitteilung als "ein wichtiges Zeichen der Wechselseitigkeit internationaler Solidarität. Oder wie man in Lateinamerika sagt: Für Solidarität bedankt man sich nicht, man gibt sie zurück."