Chile / Politik

Präsidentin Bachelet treibt neue Verfassung für Chile voran

In landesweiten Bürgerversammlungen werden Vorschläge für Verfassungsreformen zusammengetragen. Parlament entscheidet über Mechanismus der Abstimmung

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Die Verfassung Chiles. Sie stammt noch aus der Diktaturzeit unter Pinochet
Die Verfassung Chiles. Sie stammt noch aus der Diktaturzeit unter Pinochet

Santiago de Chile. Im chilenischen Kongress soll über eine neue Verfassung diskutiert werden. Das gab die Präsidentin des Landes, Michelle Bachelet, im staatlichen Fernsehsender bekannt.

Zuvor sollen die Bürger durch Bildungsprogramme auf die Thematik der Verfassung vorbereitet werden. Ab dem kommenden Frühjahr werden landesweite Bürgerversammlungen stattfinden, bei denen die Teilnehmer Vorschläge für Reformen einreichen können. Dieser Prozess soll zur Sicherung seiner Transparenz von "Volksbeobachtern" begleitet und kontrolliert werden. Über das Kurznachrichtenportal Twitter und ihre offizielle Internetseite hatte die Regierung in der vergangenen Woche Informationen zu den Planungen veröffentlicht. Die Ergebnisse dieser Dialoge sollen der Präsidentin im Oktober 2016 übergeben werden.

Im zweiten Halbjahr 2017 werde die Regierung dann dem neu gewählten Kongress einen ersten Verfassungsentwurf vorstellen, sagte Bachelet weiter. Das Parlament müsse dann darüber entscheiden, in welcher Form das Projekt diskutiert und wie die neue Verfassung verabschiedet werden soll. Dabei gebe es drei Möglichkeiten: die Bildung einer Kommission aus Senatoren und Abgeordneten oder eines Verfassungskonvents aus Abgeordneten und Bürgern oder die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung. Als vierte Möglichkeit werde die Regierung dem Kongress vorschlagen, ein Referendum durchzuführen, bei dem die Bevölkerung über die zuvor genannten Alternativen abstimmt.

Die aktuelle Verfassung Chiles stammt aus der Zeit des Diktators Augusto Pinochet (1973-1990). Sie wurde mit der Rückkehr zur Demokratie seit 1990 einige Male reformiert. "Die aktuelle Verfassung hat ihren Ursprung in einer Diktatur, sie wird den Notwendigkeiten unserer Zeit nicht gerecht. Sie wurde durch einige wenige über eine Mehrheit durchgesetzt, deswegen wurde sie ohne Legitimität geboren und konnte nicht von den Bürgern als ihre eigene akzeptiert werden", so die Präsidentin.

Eine Änderung der Verfassung war bereits Teil des Regierungsprogramms, das Bachelet einen Monat vor ihrer Wahl im November 2013 vorgestellt hatte. Eine Expertenkommission hatte einen Reformkatalog erarbeitet. Neben der Möglichkeit einer bisher ausgeschlossenen einmaligen Wiederwahl des Präsidenten nach vier Jahren Amtszeit könnte der Kongress auch das Recht auf Wasser als öffentliches Gut, das Recht auf Wohnung, Schwangerschaftsabbruch und rechtliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften beschließen. Zudem soll die in der jetzigen Verfassung festgeschriebene Rolle des Militärs und der Militärgerichtsbarkeit abgeschafft, die starke Position des Präsidenten gegenüber der Legislative in einem "semipräsidentiellen System" abgeschwächt und die direkte Demokratie über Abwahlreferenden und Volksabstimmungen gestärkt werden.

Zuletzt hatte vor einem Jahr ein breites Bündnis von sozialen Organisationen und politischen Parteien in einem Brief an die Präsidentin auf die Notwendigkeit einer verfassungspolitischen Erneuerung aufmerksam gemacht und eine Verfassunggebende Versammlung gefordert. Solch eine Versammlung würde erst die Legitimität verleihen, die der aktuellen Verfassung fehle, so die Initiative.