Bogotá. Das Verfassungsgericht in Kolumbien hat mehrere umstrittene Bestimmungen des Entwicklungsplanes der Regierung von Präsident Juan Manuel Santos in Bezug auf Bergbau und Erdölförderung für ungültig erklärt. So hat es letztinstanzlich den Bergbau in Paramos, den ökologisch wertvollen Hochmooren, verboten und damit den Schutz der natürlichen Ressourcen höher eingestuft als das Recht der Bergbauunternehmen, die über Lizenzen in Paramos verfügen. Mit diesem Urteil werden nun 347 Bergbautitel mit Lizenzen hinfällig, die vor dem Stichdatum erteilt worden waren.
Voraus gingen verschiedene Klagen von Kongressabgeordneten der Linkspartei Polo Democrático, unterstützt von Greenpeace Kolumbien. Nach einer Woche der Beratungen stimmte das Verfassungsgericht der Meinung der Kläger zu, dass unter keinen Umständen Bergbau- und Ölförderaktivitäten in Paramos erlaubt werden können, da dies zu nicht wieder gut zu machenden Schäden in diesen geschützten Gebieten führen könnte. Vertreter des Agrargipfels, einem Zusammenschluss von Bauernorganisationen, und Abgeordnete des Polo Democrático zeigten sich sehr zufrieden mit dem Urteil. Nach Ansicht von Senator Alberto Castilla müssen die Kolumbianer nun nicht mehr Angst haben, dass ihr Land den Multis ausgehändigt werde. Das Urteil ermögliche es, eine Vision von einem anderen Gesellschaftsmodell zu einem Zeitpunkt zu entwickeln, zu dem das Land vom Frieden spricht. Der Abgeordnete Alirio Uribe kommentierte, das Verfassungsgericht habe dem Leben gegenüber der Ausbeutung und den Geschäften Priorität gegeben.
Das Verfassungsgericht hat auch noch andere Instrumente der Bergbaupolitik überprüft. So hat es die "Projekte von nationalem strategischem Interesse" bestehen lassen, aber unter einigen Bedingungen: Um diese Bergbau-Megaprojekte umzusetzen, müssen die lokalen Behörden konsultiert werden. Ebenso müssen die Bewilligungen durch die Autonomen Regionalen Gebietskörperschaften und nicht durch die Nationale Agentur für Umweltlizenzen ausgestellt werden. Für ungültig erklärt hat das Verfassungsgericht die Bestimmung, nach der die nationalen strategischen Projekte über der Landrückgabe stünden.
Der Entwicklungsplan sah ursprünglich vor, dass Betroffene eines nationalen strategischen Projektes im Streitfall mit Grundstücken in anderen Gebieten entschädigt werden sollen. Das Verfassungsgericht stärkte an diesem Punkt die Interessen der Opfer und ihr Recht auf Rückkehr an ihren Ursprungsort. Ebenso erklärte das Gericht einen Artikel für ungültig, der die Enteignung von urbanem oder ländlichem Grundbesitz auf juristischem oder auf dem Verwaltungsweg in Gebieten vorsah, in denen nationale strategische Projekte geplant sind.
Der Bürgermeister des betroffenen Ortes Ibagué, Guillermo Alfonso Jaramillo, will am 5. Juni eine Volksbefragung durchführen. Dabei soll die Bevölkerung gefragt werden, ob sie mit Bergbauaktivitäten auf dem Gebiet von Ibagué einverstanden ist. Die Zentralregierung schickte am 19. Februar die Bergbau–Vizeministerin Maria Isabel Ulloa nach Ibagué, um für die entggengesetzte Position der Regierung zu werben. Bergbau, so betonte sie, sei für die Entwicklung wichtig. Viele kleine Minen würden von Bürgern Ibagués betrieben und auch die Gewinnung von Baumaterial sei eine Form von Bergbau. Die Legalität der Volksbefragung ist umstritten, hat aber durch das kürzliche Urteil des Verfassungsgerichtes an Rückhalt gewonnen, da die autonomen Gebietskörperschaften beim Beschluss über Bergbauprojekte einbezogen werden müssen.