Regierung von Venezuela erhöht Mindestlohn und öffentliche Gehälter um 50 Prozent

Erhöhungen als Reaktion auf die extreme Inflation. Auch mehr Zuwendungen im Sozialprogramm für bedürftige Familien. Kritik von Seiten der Opposition

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Begünstigte des Sozialprogramms "Hogares de la Patria"
Begünstigte des Sozialprogramms "Hogares de la Patria"

Caracas. Die Regierung in Venezuela erhöht den gesetzlichen Mindestlohn zum 1. September auf monatlich 65.556 Bolívares (Bsf). Davon entfallen auf den Lohn 22.576 sowie Nahrungsmittelgutscheine (Cestatickets) in Höhe von 42.480 Bsf. Der Gesamtwert entspricht nach dem offiziellen Wechselkurs knapp 102 US-Dollar. Ebenfalls um 50 Prozent erhöht werden alle Gehälter im öffentlichen Dienst, inklusive die der Streitkräfte. Dies gab Präsident Nicolás Maduro vergangenen Freitag bekannt. Die Begünstigten des Sozialprogramms zur Unterstützung armer und extrem armer Familien (Hogares de la Patria) erhalten überdies zukünftig monatlich 30.000 statt bisher 14.300 Bsf. Das Programm, das 2014 ins Leben gerufen worden war, soll zukünftig 500.000 Familien erreichen.

Die Erhöhung des Mindestlohns betrifft weite Teile der venezolanischen Bevölkerung. Ricardo Menéndez, Minister für Planung, erklärte im Oktober vergangenen Jahres, dass 32,4 Prozent der Venezolaner zum Mindestlohn beschäftigt seien. 51,7 Prozent der Bevölkerung erhielten einen Monatslohn in Höhe von ein bis zwei Mindesteinkommen. An das kleinste rechtlich zulässige Arbeitsentgelt sind außerdem die Pensionen gekoppelt

In den vergangenen 17 Jahren ist der Mindestlohn nun zum 34. Mal angeglichen worden, zuletzt erst im Mai dieses Jahres. Die Verfassung verlangt seine Anpassung entsprechend den Kosten des Basis-Warenkorbs, der für einen Haushalt von 5,2 Personen berechnet wird. Laut Artikel 91 haben "alle Arbeiter und Arbeiterinnen das Anrecht auf ein ausreichendes Gehalt, welches ein Leben in Würde ermöglicht und die grundlegenden materiellen, sozialen und intellektuellen Grundbedürfnisse deckt".

Die erneute Lohnerhöhung wird jedoch im Allgemeinen nicht ausreichen, um die monatlich benötigten Grundnahrungsmittel einer Familie abzudecken. Laut Berechnungen des Zentrums der Dokumentation und Analyse für Arbeiter (Cendes) betrugen die Kosten für den Basis-Warenkorb einer Familie im vergangenen Juni 277.432,88 Bsf und waren damit um 22,5 Prozentpunkte höher als im Mai. Im Vergleich zum Vorjahr stiegen die Kosten demnach um rund 766 Prozent. Selbst mit der Erhöhung zum 1. September benötigt eine Familie – legt man die Kosten für Juni 2016 zugrunde – noch 4,23 Mindestlöhne, inklusive Cestatickets. Vor der Erhöhung waren hierzu noch 8,25 Mindesteinkommen nötig.

Laut der staatlichen Tageszeitung Correo del Orinoco bessern zahlreiche formell Beschäftigte ihre Löhne mit informellen Tätigkeiten auf. Detaillierte Erhebungen über diese Nebentätigkeiten wurden bislang nicht veröffentlicht. Das Nationale Institut für Statistik gibt für das Jahr 2015 an, dass gut 40 Prozent aller Beschäftigten auch im informellen Sektor tätig waren. Im Vergleich zum Vorjahr (41,5 Prozent) ist diese Zahl damit leicht rückläufig.

Präsident Maduro bezeichnete die erneute Erhöhung als "Schutz des Rechts auf Arbeit, der gerechten, nützlichen, gut vergüteten Arbeit und der Verteidigung der angemessenen Arbeit, die von den Mafias der Straße1 verschlungen wird".

Der Generalsekretär vom Oppositionsbündnis Tisch der demokratischen Einheit (MUD), Jesús Torrealba, sprach dagegen von einem Wahlkampfmanöver angesichts des möglichen bevorstehenden Abwahlreferendums gegen Maduro. Diese Anhebung des Mindestlohnes sei wirkungslos: "Was bringt eine Erhöhung um 50, 100 oder 400 Prozent, wenn am nächsten Tag Käse, Fleisch und Eier 100 Mal mehr kosten? Hauptgrund für die Erhöhung ist die Inflation, diese ist bedingt durch das fehlende Angebot, da es keine Produktion gibt."

Die oppostitionsdominierte Nationalversammlung beriet Ende Juli erstmals über einen Entwurf für das "Gesetz zur Würdigung der Löhne", das vorsieht, die Löhne direkt an den US-Dollar zu koppeln um sie vor der Inflation zu schützen.

  • 1. Anm. Red.: gemeint sind die Schwarzmarkthändler
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