Verheerende Folgen durch Avocado-Boom in Chile

Großplantagen und Wasserdiebstahl zerstören Existenzen von Kleinbauern. Menschen müssen mit Wasserlieferungen notversorgt werden

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Chile leidet unter den Folgen des internationalen Avocado-Booms
Chile leidet unter den Folgen des internationalen Avocado-Booms

Santiago de Chile. In der Region Petorca, in der Chiles größte Avocadoplantagen ansässig sind, haben die Menschen mit verheerenden Folgen zu kämpfen: Das Wasser ist in der Region beinahe komplett verschwunden. Der gleichnamige Fluss ist ausgetrocknet, die lokale Bevölkerung muss über Tanklaster mit Wasser notversorgt werden und Kleinbauern verlieren ihre Existenzgrundlagen. Einzelne große Plantagen wurden bereits wegen Missachtung von Wasserrechten verurteilt. Doch weitreichende Veränderungen sind nicht abzusehen.

Ein kürzlich von dem dänischen Medien- und Forschungszentrum Danwatch in Zusammenarbeit mit einer lokalen Aktivistengruppe (MODATIMA) erarbeiteter Bericht stellt die Folgen der weltweit gestiegenen Nachfrage nach Avocados dar, die Chile als einer der größten Exporteure mit befriedigt: Viele lokale Familien erhalten durch die staatlichen Hilfslieferungen gerade einmal genug Wasser, um ihren Haushalt zu versorgen, lokale Kleinbauern mussten ihre Avocadobäume abholzen und haben ihre Nutztiere auf Grund der Trockenheit verloren oder verkaufen müssen.

Laut Matias Guiloff, Menschenrechtsanwalt und Universitätsprofessor, hat es die Regierung mindestens seit 2013 nicht geschafft, das Menschenrecht der lokalen Bevölkerung auf Wasser angemessen zu schützen. Eine adäquate Wasserversorgung ist auch bis heute nicht gewährleistet, sagt Guiloff: "Wir sprechen hier von täglicher Wasserknappheit und einer ständigen Abhängigkeit von wöchentlichen Hilfslieferungen. Dies behindert nicht nur ein menschenwürdiges Leben, sondern verhindert auch, dass die Bevölkerung ihrer traditionellen Lebensweise und Erwerbstätigkeit in der Landwirtschaft nachgehen kann."

Die Problematik ist vielschichtig: Zum einen ist die Region Petorca ohnehin verhältnismäßig wasserarm und die Produktion von Avocados benötigt in trockenen Regionen umso mehr Frischwasser. Zum anderen sind die Wasserrechte in Chile beinahe gänzlich privatisiert, was dazu geführt hat, dass große Plantagen auf legale Weise große Teile des Wassers abführen konnten. Eine vom ehemaligen Gouverneur der Region, Gonzalo Miquel, in Auftrag gegebene Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass zusätzlich 65 unterirdisch verlegte Leitungen Wasser in private Sammelbecken abführten und so die Flüsse der Region gänzlich austrockneten. Guiloff erklärt, dass die Dirección General de Aguas, die die Wasserrechte vergibt und auch für deren Kontrolle zuständig ist, nur über ein sehr limitiertes Budget und dadurch über zu wenig Personal verfüge. Außerdem seien "die Strafzahlungen für illegale Wassernutzung so gering, dass diese kein reales Abschreckungsinstrument darstellen".

Aus diesem Grunde haben Anwohner die Organisation MODATIMA gegründet, mit der sie seit 2011 versuchen bei chilenischen Politikern Aufmerksamkeit für die Probleme in der Region zu generieren. Doch das Fazit der Organisation ist ernüchternd: "Das Wasser für Kleinbauern und die Anwohner ist weg, aber für die großen Plantagen gibt es weiterhin genug", sagt Hugo Diaz von MODATIMA, der selbst einmal eine kleine Avocadoplantage besaß, von der heute nur noch Brennholz übrig ist. Des Weiteren seien zentrale Akteure von MODATIMA, die von der deutschen, Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung unterstützt werden, als Folge ihrer Aktivitäten auf der Straße angegriffen und mit ihrem Leben bedroht worden.

"Selbst unter extremer Trockenheit würde es genügend Wasser in der Region geben, wenn es die illegalen Wasserleitungen nicht gäbe", kommentiert Miquel, der Ex-Gouverneur der Region. Er fügt noch hinzu, dass die Politik von den 65 illegalen Wasserleitungen wüsste, sie aber weiterhin existierten und es ganz offensichtlich kein Interesse an deren Beseitigung gebe. Er selbst musste kurz nach der Veröffentlichung der von ihm veranlassten Untersuchungen auf politischen Druck hin seinen Posten räumen und leidet heute als Kleinbauer ebenfalls an der andauernden Wasserknappheit.

Zahlreiche Bürgermeister der Region haben es mittlerweile aufgegeben, bei der Regierung Lösungen der Problematik, bzw. die Beseitigung der illegalen Wasserleitungen zu fordern. Von offizieller Seite geht man derzeit von der Existenz von rund 4.000 illegalen Wasserbecken aus und die Bürgermeister ziehen es vor, auf eine große Entsalzungsanlage zu setzen, die die Bevölkerung mit Wasser des Pazifiks versorgen soll. Dafür sammeln sie nun Spenden und versuchen politische Unterstützung zu mobilisieren.

Sie wissen, dass bekannte Politiker und einflussreiche Personen selbst Eigentümer großer Plantagen in der Region sind. Und genau diese stehen nicht nur im Verdacht des anhaltenden Wasserdiebstahls, sondern wurden bereits zu Strafzahlungen wegen Missachtung der Wasserrechte verurteilt. Darunter befinden sich beispielsweise ein Ex-Senator und auch der Ex-Innenminister Edmundo Pérez Yoma.

In diesen Fällen wurde jedoch kein Urteil wegen Wasserdiebstahls gefällt, sondern lediglich festgestellt, dass die Plantagen Wasser an für sie nicht erlaubten Orten beziehen. Sie wurden zu geringen Geldstrafen verurteilt und so geht das illegale Abzapfen des Wassers weiter.

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