Uruguay / Politik / Wirtschaft

Die Agrar-Elite in Uruguay macht mobil

Agrarsektor lässt Dialog mit der Regierung von Präsident Tabaré Vázquez platzen. Weitreichende Unterstützung verlangt. Forderungen zunehmend politisch

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Seit Januar gehen Vertreter des Agrarsektors in Uruguay immer wieder gegen die Regierung auf die Straße
Seit Januar gehen Vertreter des Agrarsektors in Uruguay immer wieder gegen die Regierung auf die Straße

Montevideo. Vertreter der Agrarverbände in Uruguay haben die Verhandlungen mit der Regierung abgebrochen. Die Vorschläge und Maßnahmen von Präsident Tabaré Vázquez seien unzureichend. Zudem gebe es unüberbrückbare Differenzen in der Einschätzung der ökonomischen Lage des Landes. Solange die Regierung keine konkreten Maßnahmen "von allgemeiner Tragweite" vorschlage und keine Anstrengungen unternehme, "um ein Land für alle aufzubauen", werde man nicht an einem Dialog teilnehmen, heißt es in einer Stellungnahme von "Un Solo Uruguay" (Ein einziges Uruguay).

Der durch Dürre, hohe Wechselkurse und Benzinpreise angeschlagene Agrarsektor hatte im Januar landesweite Streiks und Protestaktionen durchgeführt. Daraufhin fanden Gespräche zwischen Regierung und Agrarverbänden statt, bei denen kurzfristige Hilfen und weitere Gespräche vereinbart wurden.

Indes wird immer deutlicher, dass es um weit mehr geht als Subventionen. Im kommenden Jahr stehen Präsidentschaftswahlen an und die Rechte will zurück an die Macht. Auf dem Land haben sie politisch das Sagen, an der Regierung ist jedoch seit über dreizehn Jahren das Mitte-links-Bündnis Frente Amplio, das auch den Präsidenten stellt.

Anfang 2018 gründete sich die Bewegung "Un Solo Uruguay", die nach eigenen Angaben aus ländlichen Erzeugern besteht. Sie übt massive Kritik an der Politik der Regierung von Präsident Vázquez und bezeichet die Wirtschaftslage des Landes als "heikel".

Ein Blick auf die Statistik zeigt folgendes Bild: Ende 2017 lag das Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei 58,3 Milliarden US-Dollar. Das Pro-Kopf-BIP betrug 16.712 Dollar und ist damit das Höchste in ganz Lateinamerika. Die Inflation liegt bei 6,6, die Arbeitslosigkeit bei rund 8 Prozent. Das Haushaltsdefizit beträgt lediglich 3,5 Prozent und in der Handelsbilanz weist Uruguay einen Überschuss von fast vier Milliarden Dollar aus. Die Armut ist gering, ebenso die öffentliche Verschuldung: 34 Milliarden Dollar, was 64 Prozent des BIP entspricht. Die Nettoverschuldung beträgt 30,8 Prozent und die Reserven der Zentralbank liegen bei 15,6 Milliarden Dollar.

Der Blick auf den Agrarsektor weist allerdings ein heikles Detail auf: Auf dem Land herrscht ein großes soziales Gefälle. Die ländliche Bevölkerung beträgt 4,8 Prozent. Ein Prozent der Bevölkerung Uruguays sind Superreiche, sie sind die Landbesitzer. Die, die das Land bestellen, sind nicht Eigentümer, sondern pachten es von den Großgrundbesitzern. Im vergangenen Jahr wurden viele Pachtverträge mit einem Gegenwert von über 600 Millionen Dollar gekündigt. Es gibt ein starkes Ungleichgewicht zwischen denjenigen, die das Land bearbeiten und denen, die es besitzen.

Der Journalist Luvis Pareja, der für das Lateinamerikanische Zentrum für strategische Analyse arbeitet, sieht Anzeichen eines möglichen Umsturzes von Rechts. In den Nachbarländern Argentinien, Brasilien, Paraguay und auch Chile hätten die Rechten per Putsch oder Wahl wieder die Macht im Land erlangt und sofort Änderungen zu ihren Gunsten vorgenommen. In Uruguay wolle man da nicht hintenanstehen. Der Nachbar Argentinien diene hier als "gutes Beispiel", schließlich seien es die Proteste im Agrarsektor, die Cristina Fernández de Kirchner letztlich zu Fall gebracht hätten. In Uruguay würden die Agrarsubventionen ebenfalls als Aufhänger genommen, die jetzige Regierung zu diskreditieren.

Anfang vergangener Woche kam es zu einem Eklat. Einige Sympathisanten von "Un Solo Uruguay" beschimpften Präsident Vázquez beim Verlassen des Ministerium für Viehzucht, Landwirtschaft und Fischerei, als "Lügner" und "Verbrecher". Vázquez blieb ruhig und bat darum sprechen zu dürfen. Er legte seine Standpunkte dar, von der Produktivität bis hin zu den Kosten für Nahrungsmittel. Vázquez sprach auch von finanzieller Inklusion und erläuterte die Steuerlast, die die Produzenten zahlen. Einer der Protestierenden schrie: "Wir sehen uns bei den Wahlen, Tabaré!" Der Präsident antwortete: "Wenn ihr mir das sagt, dann macht das deutlich, dass ihr eine politisch-parteiische Bewegung seid."