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Präsident Piñera hat in Chile die Amtsgeschäfte übernommen

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Sebastián Piñera während seiner ersten Amtszeit in Chile im Jahr 2012
Sebastián Piñera während seiner ersten Amtszeit in Chile im Jahr 2012

Santiago. Am gestrigen Sonntag hat in Chile die bisher amtierende Präsidentin Michelle Bachelet von der sozialdemokratischen "Sozialistischen Partei" zum zweiten Mal die Präsidentenschärpe an den Konservativen Sebastian Piñera übergeben. Der parteilose konservative Unternehmer hatte sich am 17. Dezember mit wesentlicher Unterstützung der rechtsgerichteten Parteien "Nationale Erneuerung" (Renovación Nacional, RN) und "Unabhängige Demokratische Union" (Unión Demócrata Independiente, UDI) im zweiten Wahlgang klar gegen den von der Regierungskoalition aufgestellten Kandidaten Alejandro Guiller durchgesetzt.

Die bisherige Regierungskoalition, die mit dem Anspruch angetreten war, die erreichten Reformen vertiefen zu wollen, konnte einen Teilerfolg bei den gleichzeitig abgehaltenen Parlaments- und Senatswahlen verbuchen und eine Mehrheit des konservativen Lagers in beiden Kammern verhindern. Nun muß Piñera mit einer Minderheit im Parlament versuchen, sein Programm durchzusetzen.

Piñera hat versprochen, Chile wieder auf den Pfad des Wirtschaftswachstums zurückzuführen. Es ist also zu erwarten, daß er der Wirtschaft die staatlichen Kontrollen abbauen wird, um dies zu erreichen. Als eine der ersten Maßnahmen will er die ohnehin schon vom Verfassungsgericht zusammengestrichene Arbeitsrechtsreform "nachbessern". Es ist auch zu erwarten, daß er mit neuen Konzessionsangeboten Investoren anlocken will. Das stößt auf erbitterten Widerstand der Gewerkschaften und vor allem der Beschäftigten aus dem Gesundheitsbereich.

Ein weiteres Thema ist der Widerstand in den von den Mapuches bewohnten Regionen. Seit der Rückkehr Chiles zur Demokratie hat es einige Fortschritte bei der Lösung der Konflikte mit den Nachfahren der Urbevölkerung gegeben, ohne sie jedoch endgültig beseitigen zu können. Das hat unter anderem zur Formierung einer militanten Bewegung geführt, die mit Brandanschlägen auf Einrichtungen der privaten Forstwirtschaft versucht, Druck auf die Regierenden auszuüben. Piñera nimmt diese Anschläge nun zum Anlaß, um die Polizei aufzurüsten und die Antiterrorgesetzgebung aus Zeiten der Pinochetdiktatur zu reformieren.

Unter dem Motto, sich der "vernachlässigten Mittelklasse" widmen zu wollen, haben die chilenischen Konservativen seit einigen Jahren das Konzept der "sozialverantwortlichen Rechten" nach christdemokratischem europäischem Vorbild entwickelt. Da die privatwirtschaftlich organisierte Rentenversicherung völlig versagt hat, wird Piñera wohl nicht umhinkommen, eine Reform des Rentensystems anzugehen. Mögliche soziale Reformen haben auch zur Folge, daß die offenen Befürworter und Verteidiger der Pinochet-Diktatur etwas zurückgedrängt werden. Sie haben jedoch nach wie vor erheblichen Einfluß, wie die Ernennung des persönlichem Pinochet-Freundes Jorge Ulloa zum Intendenten der Region Bío-Bío zeigt.

Bei den Parteien der bisherigen Regierungskoalition gibt es also erhebliche Bedenken, daß es zu Abwicklung begonnener Reformen und einer Verschärfung der ohnehin schon extremen Ungleichverteilung der Einkommen kommen könnte.

Hinzu kommen Vorwürfe wegen möglicher wirtschaftlicher Interessenskonflikte: Piñera hat eine Treuhandverwaltung über 1,9 Milliarden US-Dollar seines Familienvermögens bekanntgegeben. Das Wirtschaftsmagazin Forbes schätzt sein Familienvermögen auf 2,8 Milliarden US-Dollar. Viele seiner Minister haben Interessen in der Privatwirtschaft, enge Kontakte zu der wegen Schmiergeldaffären verurteilten Penta Bank oder besitzen vom Staat erworbene Wasserrechte. Der designierte Staatsekretär Juan Manuel Toso wird sein Amt erst gar nicht antreten, da er vom Ärzteverband wegen einer ethische Amtsverfehlung verurteilt worden ist.