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Chef der Kriminalpolizei in Chile mutmaßlich in großen Steuerskandal verwickelt

Vorwurf der Geldwäsche. Mögliche Verwicklung auch in Korruptionsaffäre des verstorbenen Ex-Präsidenten Sebastián Piñera

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Die Kriminalpolizei präsentiert Beweise nach den Ermittlungen wegen Steuerbetrugs im Dezember 2023 (Sergio Muñoz zweiter von links)
Die Kriminalpolizei präsentiert Beweise nach den Ermittlungen wegen Steuerbetrugs im Dezember 2023 (Sergio Muñoz zweiter von links)

Santiago de Chile. Sergio Muñoz, Direktor der Kriminalpolizei, soll vertrauliche Ermittlungsergebnisse im Zusammenhang mit dem Steuerskandal weitergegeben haben (amerika21 berichtete). Er sitzt seit Mitte März in Untersuchungshaft. 

Muñoz soll nur dreizehn Tage nach seiner Ernennung zum Leiter der Kriminalpolizei (Policia de Investigaciones, PDI) im Juni 2021 Kontakt mit dem Anwalt Luis Hermosilla aufgenommen haben, um ihn mit Informationen zu sensiblen Rechtsfällen zu versorgen. Muñoz wird die Weitergabe von vertraulichen Informationen der Staatsanwaltschaft nach dem Strafgesetzbuch und, was besonders schwer wiegt, dem Gesetz gegen Geldwäsche vorgeworfen. Luis Hermosilla ist die Schlüsselfigur im bisher größten Steuerbetrugsfall Chiles. Er wurde im Dezember letzten Jahres bekannt.

Hermosillo war der Verbindungsmann zwischen einem betrügerischen Unternehmerring und den Steuerbehörden. Der Fall wurde aufgedeckt, weil ein Mitschnitt von Gesprächen der am Komplott Beteiligten anonym der Öffentlichkeit zugespielt wurde. Im Laufe der Ermittlungen wurden Handy und Computer des Anwalts beschlagnahmt. Darauf befanden sich über 500 Gespräche und Texte mit dem Kripochef. Es ging immer darum, ermittlungsrelevante Informationen zu erhalten, bevor ermittelnde Beamten aktiv werden konnten.

Im Einzelnen geht es um folgende Fälle: Gegen Héctor Espinosa, Ex-Direktor der PDI, wird zusammen mit seiner Ehefrau wegen Hinterziehung von Steuergeldern, Geldwäsche und Urkundenfälschung ermittelt. Sein behördlicher Lebenslauf ist unter ungeklärten Umständen verschwunden.

Im Fall des Eisen- und Kupferbergwerks Dominga ging es um Bestechung und Steuerbetrug. Während der Regierung von Michelle Bachelet (2014-2018) wurde das Projekt aus Umweltgründen abgelehnt. Unter Präsident Sebastian Piñera wurde es dann genehmigt. Nach Presseinformationen soll die Familie Piñera bis 2010, in der ersten Amtszeit von Piñeria als Staatspräsident, Hauptaktionär des Unternehmens gewesen sein. Danach erwarb Carlos Alberto Délano, ein Jugendfreund Piñeras und wegen Steuerhinterziehung vorbestraft, das Bergwerk.

Die Aktion wurde über ein Steuerparadies abgewickelt und war einer der Fälle fragwürdiger Transaktionen, die in den Pandora Papers dokumentiert sind. Während der Regierungszeit Piñeras, im Jahr 2021 als Nachfolger von Bachelet, wurde das Projekt schließlich genehmigt. Obwohl Hermosilla nach Aussagen von Piñeras Rechtsanwälten nie mit dem Fall betraut war, informierte Muñoz den Rechtsanwalt in wenigstens drei Fällen über bevorstehende Ermittlungen. Hermosilla hatte sich als Anwalt von Piñera ausgegeben und so das Vertrauen von Muñoz in diesem Fall gewonnen.

Im Fall der Spielkasinokette Enjoy informierte Muñoz den Rechtsanwalt Hermosilla über die bevorstehende Befragung des ehemaligen Unterstaatssekretärs im Finanzministerium, Francisco Moreno Guzmán. Dieser sollte als Zeuge die Hintergründe des Dekretes Nummer 77 helfen zu klären, die der Kasinokette das finanzielle Überleben sicherte.

Im Fall Raúl Torrealba, Ex-Bürgermeister von Vitacura, einer der reichsten Gemeinden Chile, übersandte Muñoz ein Schema des Korruptionsgeflechtes in der Gemeindeverwaltung. Torrealba saß ein halbes Jahr in U-Haft und hat inzwischen Geldwäsche, Steuerbetrug und Bildung einer kriminellen Vereinigung eingestanden. Zur Schadensbegrenzung hat Torrealba mehrere Hundert Millionen Pesos zurückgezahlt und kam im Gegenzug im Februar dieses Jahres auf freien Fuß.

Schließlich benutzte Hermosilla vertrauliche Informationen, um den ehemaligen Bürgermeister der Region Metropolitana, Luis Felipe Guevara, zu verteidigen. Dieser hatte seinem Bruder den Bau eines Stadions mit Steuermitteln in der Gemeinde La Granja zugeschoben.

In der Zeit, als Muñoz einen regen Informationsaustausch mit Hermosilla pflegte, hatte dieser einen Beratervertrag mit dem Innenministerium unter Ex-Präsident Piñera und so engen Kontakt mit den höchsten Kreisen der Regierung. So hat er auch seinen Einfluss bei der Ernennung von Richtern zum Berufungsgericht und dem Obersten Gerichtshof geltend gemacht.

Muñoz zeigt sich kooperationsbereit und beteuert aus Überzeugung gehandelt zu haben, Geld sei keines geflossen. Im Laufe der Ermittlungen werden auch vier hochrangige Staatsanwälte als Zeugen geladen, um zu ermitteln, inwieweit die durchgestochenen Informationen schwebende Verfahren behindert haben. Regierungssprecherin Camila Vallejo sprach von Hinweisen "auf ein mögliches Korruptionsnetzwerk aus Kragen und Krawatte" deren Ausmaß noch nicht abzusehen sei.