Montevideo. Am vergangenen Sonntag haben in Uruguay die parteiinternen Vorwahlen für die Präsidentschaftswahlen am 27. Oktober stattgefunden. Die aussichtsreichsten Spitzenkandidaten sind Daniel Martínez (Frente Amplio), Luis Lacalle Pou (PN) und Ernesto Talvi (PC). Von den rund 2,5 Millionen zugelassenen Wählern beteiligten sich 40 Prozent an dem Urnengang. In vorherigen internen Wahlen waren es 36 bis 37 Prozent gewesen. Die freiwillige Stimmabgabe, die nach den Regeln der Pflichtwahlen durchgeführt wurde, zeugt von einem erweiterten Demokratieverständnis. Noch vor zehn Jahren wurden die Kandidaten für das Präsidentenamt per Handabstimmung auf den jeweiligen Parteikongressen festgelegt.
Ein Generationswechsel steht bevor, da die gewählten Kandidaten erst zwischen 45 und 62 Jahre alt sind. Die Politikergeneration von Tabaré Vázquez, Pepe Mujica und Danilo Astori scheint für Jungwähler an Anziehungskraft verloren zu haben.
Für die regierende Links-Koalition "Breite Front" (Frente Amplio) gewann der Sozialist Daniel Martínez, der bisherige Bürgermeister von Montevideo, mit 41,9 Prozent der Stimmen. Mit Abstand folgten die bisherige Ministerin für Industrie, Carolina Cosse (MPP), und der Gewerkschaftsführer Oscar Andrade (PC, kommunistische Partei).
Martínez ist 62 Jahre alt, von Beruf Ingenieur und war von 2015 bis 2019 Bürgermeister von Montevideo. Davor war er Abgeordneter und Senator sowie Präsident der staatlichen Raffinerie ANCAP. Zwischen 2008 und 2010 hatte er das Amt des Industrie- und Energieministers inne.
Seit 1973, dem Jahr des Militärputsches, ist Martínez Mitglied der sozialistischen Partei. Zwischen 1976 und 1981 arbeitete er im Vorstand der klandestinen sozialistischen Jugend und war später langjähriges Mitglied des sozialistischen Zentralkomitees. Er gründete noch in der Diktatur die Gewerkschaft FANCAP für die Arbeitnehmer im Bereich der Ölraffinerie.
Martínez wirkt bescheiden und mit der Gewerkschaftskultur verbunden. Andererseits ist er von der universitären Welt geprägt, im politischen Bereich bezieht er sich gerne auf die sozialwissenschaftliche Analyse als Arbeitsmethode. Er ist dem links-rechts-Schema oder einer Tendenz innerhalb der Frente Amplio kaum zuzuordnen.
In der Mitte-Rechts georteten Nationalpartei (PN) ging Luis Lacalle Pou als Sieger hervor (53,8 Prozent). Mit bedeutend weniger Stimmen folgten die Kandidaten Juan Sartori, ein bisher unbekannter politischer Neuling und Millionär, und Jorge Larrañaga, ein langjähriger Senator.
Lacalle ist 45 Jahre alt, Rechtsanwalt und Sohn des früheren Präsidenten Luis Alberto Lacalle de Herrera (1990-1995). Er tritt zum zweiten Mal als Präsidentschaftskandidat an. Im Jahr 2015 verlor er gegen Tabaré Vázquez. Lacalle ist seit 20 Jahren Abgeordneter und Senator für die oppositionelle Nationalpartei. Er gehört einer traditionellen Familie der gehobenen Klasse an und macht aus seinem Lebensstil keinen Hehl. In seiner parlamentarischen Aktivität profilierte er sich nicht besonders. In seinem Programm kündigte er eine neoliberale Austeritätspolitik an und fordert härtere Maßnahmen gegen Gewaltkriminalität.
Für Aufsehen sorgten seine jüngsten Äußerungen nach der Wahl. Zum einen schließt er eine Koalition mit der neugegründeten Partei des rechtsextremen Ex-Generals Guido Manini nicht aus, und zum anderen sagte er: "Wer Venezuela nicht als Diktatur denunziert, kann bei dieser Koalition nicht mitmachen".
In der rechtsgerichteten "Colorado"-Partei gewann mit 53 Prozent der Stimmen ein bisher wenig bekannter Kandidat: Ernesto Talvi. Er ließ seinen über 80-jährigen Rivalen, den Ex-Präsidenten Julio Sanguinetti, weit hinter sich. Letzterer war während der Diktatur Kulturminister und danach der erste Präsident Uruguays in der wiedergewonnenen Demokratie.
Talvi ist Wirtschaftswissenschaftler an der Universität von Montevideo und studierte unter anderem in Chicago. Der heute 62-jährige gehörte im Jahr 1990 zu den Beratern des Direktors der Zentralbank. Seit 1997 ist er Direktor des "Studienzentrums der wirtschaftlichen und sozialen Wirklichkeit" (CERES) und Mitglied der Nationalen Wirtschaftsakademie. Seit 2002 wird er im Zusammenhang mit der Colorado–Partei genannt. Er hatte bislang kein politisches Amt inne.
Sein Wahlsieg gehört zu den Überraschungen des vergangenen Sonntags. Sein politisches Programm ist noch wenig bekannt. Wie mehrere Politiker in diesem Wahlkampf zieht auch er die venezolanische Karte. Allerdings schloss er am Tag nach den internen Wahlen eine Koalition mit der rechtsradikalen Partei Maninis aus, weil sie gefährlich für die Demokratie sei. Er sieht seine Wahl selbst als Ausdruck der politischen Mitte in Uruguay.
Manini, Gründer und einziger Kandidat der neuen Partei "Bürgerversammlung" (Gabildo Abierto), war oberster Befehlshaber der uruguayischen Streitkräfte zwischen 2015 und 2019, bis er vom Präsidenten Tabaré Vázquez abgesetzt wurde, da er mehrfach gegen Verfassungsnormen verstieß. Er äußerte sich öffentlich in provokativer Weise gegen die Justiz, die Menschenrechte und gegen die Aufklärung der Verbrechen der Diktatur. Er will die Armee zur Verbrechensbekämpfung einsetzen. Doch vor allem versuchte er, den Abbau der Privilegien im Rentensystem der Militärs zu verhindern.