Nach Rausschmiss kubanischer Ärzte sterben in Brasilien mehr Säuglinge

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Seitdem Jair Bolsonaro keine kubanischen Ärzte mehr in Brasilien haben will, sterben in indigenen Gemeinschaften wieder mehr Säuglinge
Seitdem Jair Bolsonaro keine kubanischen Ärzte mehr in Brasilien haben will, sterben in indigenen Gemeinschaften wieder mehr Säuglinge

Brasília. Die Säuglingssterblichkeit in indigenen Gemeinschaften ist seit dem Abzug kubanischer Ärzte, die in Brasilien für das Programm "Mais Médicos" gearbeitet haben, stark angestiegen. Daten des Gesundheitsministeriums zeigen eine klare Entwicklung: Zwischen Januar und September 2019 sind demnach 530 indigene Babys bis zu einem Alter von einem Jahr gestorben. Dies entspricht einem Anstieg von zwölf Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahre 2018.

Allein im ersten Monat nach dem Ende des Abkommens mit Kuba im Januar 2019 wurden 77 Todesfälle bei indigenen Babys gezählt. Dies ist die höchste Rate für einen einzelnen Monat seit dem Beginn der Zählung im Jahr 2010. Die Todesrate indigener Babys im gesamten Jahr 2019 war mit 545 Fällen bereits zwischen Januar und September die höchste seit 2012.

Die 301 im Rahmen des Programms eingestellten Kubaner machten 55,4 Prozent der medizinischen Stellen im Bereich der indigenen Gesundheit aus. Seit deren Weggang hat die Regierung zwar die meisten offenen Stellen durch brasilianische Ärzte ersetzt, aber viele örtliche indigene Gemeindevorsteher sagen, dass sich dadurch die Dienstleistungen drastisch verschlechtert hätten.

Das Programm "Mais Médicos" begann im Jahr 2013. Zwischen 2014 und 2018 fiel der Indikator der Säuglingssterblichkeit auf durchschnittlich 470 Todesfälle pro Jahr. Die größte Veränderung nach dem Weggang der kubanischen Ärzte trat im Bundesstaat Bahia auf. Zwischen Januar und September 2019 starben in der Region elf Babys im Alter von bis zu einem Jahr, eine fast viermal höhere Zahl als im gleichen Zeitraum des Jahres 2018.

Sérgio Bute, der den Vorsitz im Bezirksrat für indigene Gesundheit (Condisi) in Bahia innehat, führt die Todesfälle ganz konkret auf die Abreise der Kubaner zurück. Er äußerte gegenüber BBC News Brasil, dass der Abgang der Fachkräfte – 20 kubanische Ärzte, die im Distrikt arbeiteten – "eine große Katastrophe" gewesen sei.

"Sie (die Kubaner]) hatten keine Einwände und keine Schwierigkeiten gehabt, in das Dorf der Indigenen zu gehen und mit deren Realität zu leben", sagt er.

Seit dem Ende des Abkommens hat die Regierung drei Aufrufe gestartet, um kubanische Ärzte durch Brasilianer zu ersetzen. Dadurch wurden 17 der 20 Stellen wieder besetzt. Mehrere brasilianische Ärzte vermieden es jedoch, die Dörfer zu besuchen, und stellten auch keine persönliche Verbindung zu den Gemeinden her, was sich auf die Qualität der Gesundheitsversorgung auswirkt.

Paulo Tupiniquim, Exekutivkoordinator der Artikulation indigener Völker Brasiliens (Apib) und Mitglied des DSEI Minas Health Council kritisiert die Einstellung der brasilianischen Ärzte: "Es ist ein völlig anderes Verhalten als das der Kubaner. Bei ihnen gab es kein schlechtes Wetter: Es konnte regnen oder sonnig sein, sie waren immer bemüht zu helfen und den Kontakt zur Bevölkerung aufrechtzuerhalten", sagt er.

Das Abkommen mit Kuba spielte eine zentrale Rolle im "Mais Médicos"-Programm, das 2013 von der Regierung Dilma Rousseff ins Leben gerufen wurde, um Fachkräfte in medizinisch notorisch unterversorgte Gebiete zu bringen, wie städtischen Randgebiete und Favelas, Binnenstädte und indigene Gemeinschaften.

Vor dem Ende der Partnerschaft machten die Kubaner 2018 51,6 Prozent der 16.150 Ärzte des Programms aus. Kuba beendete die Zusammenarbeit, als der damals gewählte Präsident Bolsonaro die kubanische Regierung und die Beteiligung des karibischen Landes an "Mais Médicos" harsch kritisierte.