Santiago/Bogotá/Mexiko-Stadt/Brasília. Die Corona-Pandemie führt in den Gefängnissen verschiedener Länder Lateinamerikas zu Aufständen und Fluchtversuchen. In kaum einer Haftanstalt gibt es ausreichend Maßnahmen zum Schutz der Inhaftierten. Die Überbelegung liegt bei bis zu 500 Prozent, was ein "Abstandhalten" zwischen den Gefangenen unmöglich macht.
Am 28. März wurde im chilenischen Gefängnis Puente Alto der erste Fall von Corona bei einem Häftling bestätigt. Dies löste am Tag darauf einen Aufruhr aus. Im Gefängnis in der Hauptstadt Santiago wurden dabei 26 Inhaftierte schwer verletzt. Der Gefängnisdirektor José Provoste gab bekannt: "Der positive Test führte zu dem Chaos, aus dem allerdings keine ernsthafte Meuterei entstehen konnte. Wir haben die Feuerwehr eingesetzt, als die Gefangen versuchten Feuer zu legen". Der Aufstand wurde schließlich unter Einsatz von Tränengas beendet.
Nur eine Woche zuvor, in der Nacht vom 21. auf den 22. März, kam es im Gefängnis Modelo in Bogotá in Kolumbien zu gewaltvollen Auseinandersetzungen zwischen Gefangenen und der Gefängnisaufsicht (INPEC) sowie Militär und Polizei. Dabei kamen 23 Gefangene ums Leben.
Die Regierung behauptete, dass es sich um einen koordinierten Fluchtversuch der ELN-Guerilla aus dem Gefängnis gehandelt habe. Die landesweite Gefängnisbewegung hatte für diesen Tag zu einem Protest in 14 Gefängnissen parallel aufgerufen.
Auch in Mexiko gab es am 20. März Zusammenstöße, die drei Inhaftierten das Leben kosteten. In der Justizvollzugsanstalt Atlacholoaya im südmexikanischen Bundesstaat Morelos griffen Häftlinge das Sicherheitspersonal mit Schusswaffen und Messern an. Sie nahmen Angestellte als Geiseln, um ihre Flucht zu erzwingen, zehn von ihnen wurden dabei verletzt. Einigen Inhaftierten gelang die Flucht, ein weiterer Häftling starb kurz darauf in einem Krankenhaus an einer Schussverletzung.
In Brasilien sind bereits am 16. März mehr als 1.300 Gefangene aus Haftanstalten geflohen. Darunter waren rund 900 Inhaftierte aus Mirandópolis, die im offenen Vollzug waren und die Maßnahmen gegen mögliche Corona-Infektionen zum Anlass der Flucht nahmen. Zuvor hatten sie die restriktiven Maßnahmen kritisiert: Besuche wurden verboten, jedoch keinerlei Sicherheitsmaßnahmen für die Häftlinge eingeführt. Diese allerdings verlassen die Zellen, um außerhalb zu arbeiten, und können das Virus so in das Gefängnis tragen. Weitere 400 Inhaftierte flohen laut offiziellen Quellen aus Mongaguá und rund 30 aus dem Gefängnis Taubaté.