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Skandal in Peru: Politiker und Unternehmer im Geheimen gegen Corona geimpft

Zwei Ministerinnen zurückgetreten. Mindestens 487 privilegierte Personen verschafften sich schon vor Monaten illegal Zugang zu Impfstoff

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Ließ sich, seine Frau und seinen Bruder bereits vor Monaten impfen: Ex-Präsident Martín Vizcarra
Ließ sich, seine Frau und seinen Bruder bereits vor Monaten impfen: Ex-Präsident Martín Vizcarra

Lima. Der von den Medien "Vacunagate" getaufte Skandal schlägt in Peru immer höhere Wellen: Hunderte Politiker, Funktionsträger, Unternehmer und deren Familienangehörige ließen sich bereits vor Monaten insgeheim gegen das Coronavirus impfen – lange vor Beginn der offiziellen Impfkampagne am 8. Februar.

Am Montag wurde eine Liste mit 487 Namen veröffentlicht, die sich illegal Zugang zum Impfstoff des chinesischen Sinopharm-Konzerns verschafft haben. Dieser hatte ab August 2020 eine großangelegte Phase-III-Impfstudie in Peru durchgeführt. Dabei waren über die für die Studie nötigen Dosen hinaus 3.200 Impfeinheiten "übrig geblieben". Daran bedienten sich in den Folgemonaten zahlreiche ranghohe Staatsbedienstete und andere.

Nachdem vergangene Woche an die Öffentlichkeit gekommen war, dass sich Ex-Präsident Martín Vizcarra und seine Frau bereits im vergangenen September impfen ließen, wurden über das Wochenende immer mehr klandestine Impfungen bekannt. So waren auch Vizcarras Bruder und der Außenministerin Elizabeth Astete die Vakzine verabreicht worden. Astete legte ihr Amt nieder. In einer öffentlichen Stellungnahme begründete sie ihr Fehlverhalten damit, sie habe sich den "Luxus" nicht leisten können, krank zu werden.

Besonders brisant ist dabei, dass sowohl Vizcarra als auch Astete zu unterschiedlichen Zeitpunkten direkt an den Kaufverhandlungen mit Sinopharm beteiligt waren, von dessen Impfstoff sie direkt profitierten.

Für eine weitere Überraschung sorgte Ex-Gesundheitsministerin Pilar Mazzetti. Sie war bereits am Freitag zurückgetreten, nachdem das Parlament sie über ihr Mitwissen von der irregulären Impfung Vizcarras befragt hatte. Mazzetti hatte für sich selbst immer wieder betont, sie werde sich erst nach allen anderen gegen Covid-19 impfen lassen: "Der Kapitän geht als Letzter von Bord." Umso überraschender war es also, als am Montag bekannt wurde, dass sich Mazzetti längst unter den Geimpften befindet.

Die die Impfstudie leitende Medizinhochschule Cayetano Heredia ließ Präsident Francisco Sagasti am Wochenende eine Liste zukommen, auf der all diejenigen vermerkt sind, die die übrig gebliebenen Sinopharm-Impfdosen erhalten haben: Darunter sind nicht nur Politiker und deren Angehörige, sondern auch Unternehmer wie die Laborbetreiberin Claudia Gianoli Keller und ihre Söhne, Restaurantbesitzer César Loo oder der Agrarindustrielle Eduardo Santa Maria Rizo Patrón – um nur einige zu nennen. Auch der Name des Vatikanbotschafters und Erzbischofs, Nicola Girasoli, war auf der Liste vermerkt.

Präsident Sagasti zeigte sich äußerst empört über die Vorkommnisse. In einer Fernsehansprache bezeichnete er den Skandal als weiteres dunkles Kapitel der langanhaltenden politische Krise Perus: "Das ethische Verhalten, das wir in letzter Zeit gesehen haben – ich beziehe mich hier auf die letzten Jahre – mit Autoritäten auf allen Ebenen, mit Amtsträgern von ganz oben bis hin zum Lokalen, die der Korruption bezichtigt werden, in missbräuchliche Akte involviert waren und ihre Macht für den persönlichen Nutzen missbraucht haben, erfordert eine grundlegende Reflexion."

Oscar Ugarte, Mazzettis Nachfolger im Amt des Gesundheitsministers, kündigte indes an, man plane den Privatsektor in die Impfkampagne einzubeziehen. So sollten Unternehmen künftig die Covid-19-Impfdosen erwerben und weiterverkaufen können.

Derweilen verläuft die staatliche Impfkampagne, die vergangene Woche begann, bislang relativ erfolgreich: 115.000 Personen, darunter Krankenpflegepersonal, wurde bereits die erste Dosis verabreicht. Doch für knapp 300 Ärzte kommen die Vakzine zu spät – so viele verstarben bereits nach Ansteckungen mit dem Virus im Einsatz.

Die zweite Welle der Pandemie in Peru befindet sich aktuell auf dem bisherigen Höhepunkt. Vielerorts nehmen Krankenhäuser keine Patienten mehr auf. 32 Landkreise befinden sich seit Anfang Februar im Lockdown – auch die Hauptstadt Lima.