Fünf Jahre nach dem Friedensvertrag nimmt die Gewalt in Kolumbien weiter zu

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Erschreckende Zahlen legt erneut das Instituto de Estudios para el Desarrollo y la Paz vor (Logo Indepaz)
Erschreckende Zahlen legt erneut das Instituto de Estudios para el Desarrollo y la Paz vor (Logo Indepaz)

Bogotá. Als Ende 2016 der ehemalige kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos einen Friedensvertrag mit der ältesten Guerilla Amerikas Farc-EP schloss, war die Hoffnung auf Frieden groß. Seitdem sind fünf Jahre vergangen und die Sicherheitslage im Land ist nach wie vor besorgniserregend.

Nach Zählungen des kolumbianischen Friedensforschungsinstituts Indepaz (Instituto de estudios para el desarrollo y la paz) wurden allein im Jahr 2021 insgesamt 108 Sozialaktivisten und Menschenrechtsverteidiger ermordet. Laut Indepaz sind auf Seiten der demobilisierten Farc-Rebellen insgesamt 34 Menschen verschwunden oder ermordet worden.

Die Sondergerichtsbarkeit für den Frieden (JEP) hat die kolumbianischen Behörden unlängst aufgefordert, Sicherheitsstrategien für ehemalige Farc-Kämpfer vorzulegen, nachdem seit der Unterzeichnung des Abkommens 283 von ihnen getötet wurden.

Zudem nimmt die Zahl der Binnenvertriebenen in dramatischer Weise zu. Die Vereinten Nationen (UN) berichten von einem Anstieg von 191 Prozent sogenannter "desplazados" im ersten Halbjahr 2021 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die UN zählen insgesamt 44.647 gewaltsam vertriebene Menschen durch parastaatliche, kriminelle Gruppen im Land.

Besonders betroffen von den Binnenfluchtbewegungen ist die Kleinstadt Ituango im Norden Antioquias. Im August stieg die Anzahl der durch Gewalt Vertriebenen auf über 4.000, die sich in der Kleinstadt ansammelten. Die Menschen sahen sich zudem flutartigen Regenfällen ausgesetzt, die die Zufahrtsstraßen zu ihren Gemeinden zerstörten.

86 Prozent der Binnenfluchtbewegungen konzentrieren sich auf den Nordosten und die Pazifikregion in den Departamentos Antioquia, Cordoba und Chocó, sowie in den weiter südlich angesiedelten Regionen Nariño, Cauca und Valle del Cauca.

Den innerkolumbianischen Flüchtlingsbewegungen gehen in zwei Dritteln aller Fälle Todesdrohungen durch jene bewaffneten Gruppen voraus, die Anspruch auf die Territorien erheben, in denen die Menschen vorher gelebt haben.

Zur Flucht gezwungen werden vor allem Kleinbauern, Mitglieder afrokolumbianischer Gemeinden und Indigene.

Aber es trifft auch Regierungsvertreter, die ihre Sicherheit im Land nicht länger gewährleistet sehen. Das Gemeinderatsmitglied von Zaragoza, Mairon Javier Chaverra, wurde am 24. August von zwei bewaffneten Männern vor seinem Anwesen in der Region Bajo Cauca im Departamento Antioquia hingerichtet. Chaverra war ein anerkannter Sozialaktivist und bereitete sich auf eine Bürgermeisteramtskandidatur vor.

Carlos Caicedo, der Gouverneur des Departamentos Magdalena, einer Provinz im karibischen Norden Kolumbiens, informierte am 26. August an, er habe Land fluchtartig verlassen, nachdem er aus zuverlässigen Kreisen erfahren habe, dass gegen ihn ein Mordkomplott durch den paramilitärischen Golfclan (Clan del Golfo)geschmiedet worden sei.

Caicedo beschuldigte direkt den Ex-Präsidenten Álvaro Uribe Vélez und den amtierenden Präsidenten Iván Duque für die gegen ihn gerichteten Morddrohungen durch Paramilitärs verantwortlich zu sein, die sich durch die zu erwartende Straflosigkeit in ihrem Handeln bestärkt sähen.