Brasilien stellte 2021 neuen Rekord bei Pestizidzulassung und -einsatz auf

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"Giftiges Agrobusiness". Plakat der Campanha Permanente Contra os Agrotóxicos e Pela Vida
"Giftiges Agrobusiness". Plakat der Campanha Permanente Contra os Agrotóxicos e Pela Vida

Brasília. Die seit 2019 amtierende Regierung des ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro hat innerhalb ihrer 36-monatigen Amtszeit einen Rekord aufgestellt: Im ersten Jahr seiner Amtszeit wurden 474 Pestizide zugelassen, 2020 waren es 493 und bis Ende 2021 insgesamt 1.558. Die Daten beruhen auf den vom Ministerium für Landwirtschaft, Viehzucht und Versorgung (MAPA) veröffentlichten Akten.

Insgesamt sind aktuell etwa 3.618 Pestizide zugelassen (Stand 21.1.2021). Brasilien ist damit globaler Spitzenreiter. Viele dieser "neuen" Produkte wurden in der EU bereits vor 20 Jahren aufgrund wissenschaftlicher Belege über ihre schädlichen Auswirkungen auf Mensch und Natur verboten.

Bereits seit dem parlamentarischen Putsch im Jahr 2016 gegen die damalige Präsidentin Dilma Roussef ist das Land Schauplatz einer Welle neuer Pestizidzulassungen: 2016 wurden 277 Produkte im Folgejahr 2017schon 404 neue Ackergifte zugelassen, und im Jahr 2018 nahm die Regierung 449 weitere Registrierungen vor (amerika21 berichtete).

Auf Brasiliens Äckern werden zwischen zwölf und 16 Kilo Pestizide pro Hektar eingesetzt, wie die Forscherin Prof. Dr. Larrisa Bombardi 2021 in ihrem Atlas "Geografie des Pestizideinsatzes in Brasilien und Verbindungen zur Europäischen Union" dokumentiert hat. Wegen Drohungen aufgrund ihrer Forschung musste sie 2021 das Land verlassen.

Der Agrarwissenschaftler Leonardo Melgarejo von der Bewegung für Bürgerwissenschaft (Movimento pela Sciência Ciudadana) warnt, dass alle unter dem unkontrollierten Einsatz dieser Pestizide leiden. Dem Forscher zufolge breiten sich die Folgen in allen Regionen des Landes aus, egal wie weit die Menschen entfernt sind.

Melgarejo zufolge werden in Brasilien jedes Jahr eine Milliarde Liter dieser agrotoxischen Produkte verwendet, die vielfach giftig für Bestäuber sind und großenteils ins Wasser gelangen, wo sie aquatische Organismen schädigen und das Trinkwasser verseuchen. Studien zur Wasserqualität haben Melgarejo zufolge ergeben, dass in mindestens 25 Prozent der untersuchten Gemeinden bis zu 27 Arten von Giften im Wasser enthalten sind. Die Möglichkeit einer Kontamination ist also groß, auch wenn sie weit von den Kulturen entfernt ist.

Soziale Bewegungen, darunter die "Permanente Kampagne gegen Pestizide und für das Leben" sowie die ökumenische Landpastorale CPT dokumentieren kontinuierlich die Pestizid-Vergiftungen in den ländlichen Regionen.

Die Agrarindustrie und Großproduzenten, die die Gifte einsetzen, verschleiern unterdessen deren toxischen Umwelt- und Gesundheitswirkungen hinter Begriffen wie "Pflanzenschutzmittel", "phytosanitäre Produkte" oder "landwirtschaftliche Schutzmittel".