Costa Rica / Politik

Wahlen in Costa Rica: Ex-Präsident und Außenseiter in Stichwahl

Vernichtende Niederlage für Regierungspartei. Beide Stichwahl-Kandidaten neoliberal. Niedrigste Wahlbeteiligung in der Geschichte des Landes

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Wie erwartet hat Ex-Präsident José María Figueres Olsen die erste Runde der Präsidentschaftswahlen für sich entschieden
Wie erwartet hat Ex-Präsident José María Figueres Olsen die erste Runde der Präsidentschaftswahlen für sich entschieden

San José. Rund 3,5 Millionen Costa-Ricaner:innen sind am Sonntag an die Urnen gerufen worden, um ein neues Parlament und einen neuen Präsidenten zu wählen. Das Ergebnis wurde mit großer Spannung erwartet. Dennoch gab in Umfragen knapp die Hälfte der Befragten kurz vor dem Wahltag an, noch nicht zu wissen, für welche Partei sie stimmen würden. So gab es neben einigen erwartbaren Ergebnissen auch Überraschungen.

Wie erwartet hat Ex-Präsident José María Figueres Olsen die erste Runde der Präsidentschaftswahlen für sich entschieden. Der Kandidat der rechtssozialdemokratischen "Partido de Liberación Nacional" (Partei der Nationalen Befreiung, PLN) erreichte 27 Prozent der Stimmen. Wie ebenfalls erwartet, wird er sich damit am 3. April in einer Stichwahl stellen müssen. Diese sieht die costa-ricanische Verfassung vor, wenn in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen niemand mindestens 40 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen kann.

Überraschend haben die Costa-Ricaner:innen den ehemaligen Finanzminister Rodrigo Chaves Robles auf den zweiten Platz gewählt. 2018 gründete der Ökonom die Mitte-rechts-Partei "Partido Progreso Social Democrático" (Partei des Sozialdemokratischen Fortschritts, PPSD). Keine Wahlumfrage hatte seinen Einzug in die Stichwahl prognostiziert. Mit 16,72 Prozent setzte er sich knapp gegen den evangelikalen Prediger Fabricio Alvarado und die konservative ehemalige Vizepräsidentin Lineth Saborío Chaverri durch. Alvarado und Saborío konkurrierten in Wahlumfragen zuletzt um den Einzug in die Stichwahl.

Nicht kandidieren durfte der bisherige Präsident Carlos Alvarado, da die Verfassung eine unmittelbare Wiederwahl verbietet. Seiner Partei, der progressiven "Partido Acción Ciudadana" (Bürgerallianz, PAC), wurde ein düsterer Wahlabend vorhergesagt. Es kam sogar noch schlimmer als erwartet. Ihr Präsidentschaftskandidat Welmer Ramos erreichte nicht einmal ein Prozent der Stimmen. Im zukünftigen Parlament wird die PAC überhaupt nicht mehr vertreten sein. Zuletzt stellte sie mit neun von 57 Abgeordneten die zweitgrößte Fraktion im Parlament.

Die PAC hat zwei turbulente Regierungsperioden hinter sich. Nach Korruptionsskandalen, unpopulären neoliberalen sowie progressiven gesellschaftspolitischen Reformen und der schlimmsten Wirtschaftskrise seit 40 Jahren hat sie selbst das Vertrauen ihrer ehemaligen Anhänger:innen verspielt.

Große Gewinner der Parlamentswahlen sind die beiden traditionell das Land dominierenden Parteien sowie zwei neue Kräfte. Die PLN gewinnt leicht hinzu und wird mit 19 von 57 Abgeordneten die mit Abstand größte Fraktion stellen. Ihre traditionelle Konkurrentin, die konservative "Partido Unidad Social Cristiana" (Partei der Sozialchristlichen Einheit, PUSC), gewinnt ebenfalls hinzu und kommt auf zehn Abgeordnete. Neu ins Parlament gewählt wurden die PPSD mit neun und die wirtschaftsliberale "Partido Liberal Progresista" (Liberal-Progressive Partei, PLP) mit sechs Parlamentarier:innen. Die linke "Frente Amplio" (Breite Front) kann ebenfalls einen Erfolg feiern und vergrößert ihre Fraktion von einem auf sechs Abgeordnete. Die evangelikale Parlamentsvertretung halbiert sich im Vergleich zu 2018 auf sieben Abgeordnete.

Bislang sind bei den Wahlen keinerlei Auffälligkeiten gemeldet worden. Gerardo de Icaza von der Wahlbeobachter:innengruppe der Organisation Amerikanischer Staaten twitterte: "Es ist das dritte Mal, dass ich Präsidentschaftswahlen in Costa Rica beobachte und immer habe ich ein Fest der Demokratie, verantwortungsbewusste politische Akteure und eine höchst fähige Wahlbehörde erlebt."

Costa Rica ist das am längsten demokratisch regierte Land Lateinamerikas und gilt weltweit als Musterland von Demokratie und Menschenrechten. Umso auffälliger ist, dass mit einer Wahlbeteiligung von gerade einmal 59,71 Prozent ein historischer Tiefstwert erreicht wurde. Beobachter:innen führen dies im Wesentlichen auf drei Faktoren zurück: die Politikverdrossenheit aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Krisen der vergangenen Jahre, einen inhaltsarmen, teils entpolitisierten Wahlkampf und eine neue Explosion der Corona-Fallzahlen.

Mit Spannung wird nun auf die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen im April geschaut. Denn so unterschiedlich José María Figueres und Rodrigo Chaves auf den ersten Blick auch sein mögen, in wirtschaftspolitischen Fragen, die den Wahlkampf dominierten, unterscheiden sie sich nur marginal.

José María Figueres war bereits von 1994 bis 1998 Präsident des Landes. Selbst Sohn eines ehemaligen Präsidenten, gilt er als der Bilderbuchvertreter des politischen Establishments. Während seiner Präsidentschaft setzte er mit der ehemals sozialdemokratischen PLN harsche neoliberale Reformen um. Gegen ihn sind in der Vergangenheit Vorwürfe wegen Korruption erhoben worden.

Sein Sieg in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen kann also täuschen. Die PLN ist in weiten Teilen der Bevölkerung verhasst. Zuletzt gelang 2014 einem Kandidaten der PLN der Einzug in die Stichwahl der Präsidentschaftswahlen, um mit einem Rekordergebnis zu verlieren.

Rodrigo Chaves sagte am Sonntagabend vor Anhänger:innen: "Wir ziehen in die zweite Runde ein, die neue Partei, die jüngste dieses Wahlkampfes." Er versprach einen friedlichen Neuanfang und die alten Konflikte hinter sich zu lassen. Dabei hatte er einen teils aggressiven Anti-Establishment-Wahlkampf geführt. Der Doktor in Wirtschaftswissenschaften hatte über 27 Jahre für die Weltbank gearbeitet. 2018 ernannte der damalige Präsident Carlos Alvaro ihn, damals weitgehend unbekannt, zum Finanzminister.

Nach nur knapp einem halben Jahr trat er vom Amt zurück. Er hatte ein neoliberales Reformpaket als nicht umfassend genug kritisiert. Im August 2021 berichtete die Tageszeitung "La Nación", dass Chaves in der Vergangenheit von der Weltbank aufgrund sexueller Übergriffe bestraft wurde.

Ob mit Figueres oder Chaves als Präsident, die von beiden angekündigten neoliberalen Reformen dürften im Parlament inhaltlich eine große Mehrheit finden. Nur die Frente Amplio hatte solche im Wahlkampf abgelehnt.