Proteste nach erneutem Femizid in Mexiko

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"Vivas nos queremos" - die Demonstrierenden fordern ein Ende der Feminizide und des Verschwindenlassens
"Vivas nos queremos" - die Demonstrierenden fordern ein Ende der Feminizide und des Verschwindenlassens

Mexiko-Stadt. Der Mord an einer jungen Frau sorgt derzeit in Mexiko landesweit für Proteste.

Am 8. April verschwand die 18-Jährige Debanhi Escobar und wurde zwei Wochen später tot aufgefunden. Feministische Kollektive und viele weitere Einzelpersonen demonstrierten daraufhin in neun Bundesstaaten für die Aufklärung von Femiziden und des Verschwindenlassens von Personen sowie gegen die Straffreiheit im Land.

Die Demonstrierenden stellten Kerzen auf, schrieben die Namen von Vermissten und Verstorbenen mit Kreide auf den Boden und plakatierten Vermisstenanzeigen an die Wände, "für alle vermissten und ermordeten Frauen, für Gerechtigkeit und Frieden für ihre Familien". 

Zwei Wochen lang galt Debanhi Escobar als verschwunden, bevor sie tot in einem Wassertank aufgefunden wurde. Die Behörden des Bundesstaates Nuevo León sprachen zunächst von einem Unfall, bevor die Situation als Mord eingestuft wurde. Debanhi Escobar ist damit eine von über 300 Frauen, die in diesem Jahr bereits im Bundesstaat verschwanden.

Für größeres Aufsehen sorgte der Vorfall wegen eines Fotos der jungen Frau, das sie kurz vor ihrem Verschwinden zeigt. Debanhi Escobar hatte nachts ein Taxi nachhause genommen. Sie verließ das Auto jedoch vor dem Erreichen der Wohnung und stieg am Stadtrand von Monterrey aus. Es ist unklar, wieso sie das Taxi frühzeitig verließ.

Der Fahrer machte das Foto, nachdem sie ausgestiegen war, da er für eine Taxi App arbeitet und damit nachweisen wollte, dass die Frau aus dem Auto ausgestiegen sei. Laut Mario Escobar, dem Vater der Ermordeten, würden die Aufnahmen einer Überwachungskamera dafür sprechen, dass der Fahrer sie zuvor sexuell belästigt habe. Zudem klagt er an, dass der Fahrer für ihren Tod verantwortlich sei, auch wenn er seine Tochter nicht umgebracht habe.

Mit dem unaufgeklärten Mord nimmt die Kritik an den Sicherheitsbehörden im Land weiter zu. In Mexiko verschwinden laut der Nationalen Suchkommission im Schnitt 18 Frauen am Tag. Jede vierte verschwundene Person ist eine Frau, die Mehrheit davon ist zwischen zwölf und 19 Jahre alt. Jedoch wird nur ein kleiner Bruchteil der Fälle aufgeklärt.

Zuletzt stufte das Komitee der Vereinten Nationen gegen gewaltsames Verschwindenlassen die Strategie der Regierung zur Bekämpfung der Situation als "unzureichend und unangemessen" ein. Laut seinem Bericht ist die Straflosigkeit ein strukturelles Problem, das sofortige Maßnahmen verlangt.

Mehr als 24.000 Frauen gelten im Land als verschwunden. Die Zahlen stiegen in den vergangenen 15 Jahren stark an, noch stärker seit der Covid-19 Pandemie.

Mit der seit 2006 verfolgten Militarisierungsstrategie im "Krieg gegen Drogen" sei ein Zusammenhang zwischen der Zunahme des Verschwindenlassens von Personen und der Beteiligung der Streitkräfte bei Anliegen der öffentlichen Sicherheit zu beobachten, so der aktuelle Bericht des UN-Komitees. Mittäterschaft, Duldung oder Unterlassung seitens der öffentlichen Bediensteten machten die Behörden zu Beteiligten der Verbrechen. Die Regierung wurde deshalb aufgefordert, schnellstmöglich eine nationale Strategie zur Bekämpfung des Verschwindenlassen zu entwickeln (amerika21 berichtete). 

Im Fall Debanhi Escobar kritisiert der Vater der Frau: "Wir glaubten in unseren Herzen, dass wir sie lebend finden würden, aber die Tage vergingen und die Staatsanwaltschaft hat schlechte Arbeit geleistet".

Dass die Behörden nicht nur nicht aufklären, sondern teils beteiligt sind, zeigen die Warnungen von Aktivistinnen bei den aktuellen Demonstrationen: Demnach sollen Polizeikräfte Frauen im Straßenverkehr grundlos anhalten, sie einschüchtern und dann vergewaltigen. Die Staatsanwaltschaft von Chihuahua bestätigte in dem Zusammenhang drei Anzeigen wegen sexuellen Missbrauchs durch Beamte.

In den kommenden Wochen werden weitere Demonstrationen stattfinden, "bis die Würde zur Gewohnheit wird".