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Bolivien: Anhaltender Streik in Santa Cruz verschärft Spannungen

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Der indigene Senatspräsident Andrónico Rodríguez bei einer Bürger:innenversammlung. Alte Wirtschafteliten stemmen sich gegen die gestiegene Bedeutung der indigenen Bevölkerungsmehrheit im Plurinationalen Staat Bolivien
Der indigene Senatspräsident Andrónico Rodríguez bei einer Bürger:innenversammlung. Alte Wirtschafteliten stemmen sich gegen die gestiegene Bedeutung der indigenen Bevölkerungsmehrheit im Plurinationalen Staat Bolivien

La Paz/Santa Cruz de la Sierra. Die Spannungen zwischen Befürworter:innen und Gegner:innen des Streiks in Santa Cruz nehmen weiter zu. Hintergrund ist ein Konflikt über den Zeitpunkt der nächsten Volkszählung in Bolivien, deren Ergebnisse den landesweiten politischen Einfluss der wirtschaftsstärksten Region im Land, Santa Cruz, vergrößern könnte (amerika21 berichtete).

Während die alten Wirtschaftseliten den Zensus spätestens 2023 abhalten möchten, ist laut Regierung erst 2024 eine Durchführung möglich. Die Zählung war ursprünglich für diesen November vorgesehen, wurde aber wegen der Folgen der Pandemie und fehlender technischer Ausstattung auf Mitte 2024 verschoben.

Nachdem die rechte Opposition um Gouverneur Fernando Camacho vermittelnde Gespräche mit der Regierung der Bewegung zum Sozialismus (Movimiento al Socialismo, MAS ) erneut abgebrochen hatte, drohte eine weitere Zuspitzung.

Inzwischen wird in dem Konflikt eine Zunahme der Gewalt gegen indigene Gemeinden beobachtet. Demonstrationen von Streikgegner:innen wurden von Ausschreitungen begleitet. Präsident Luis Arce warnte vor einem erneuten Putschversuch der rechten Opposition in Santa Cruz.

Die wirtschaftlichen Folgen des von Camacho angeführten Streiks (amerika21 berichtete), der bereits mehr als eine Woche andauert, sind für viele Bewohner:innen der Region gravierend. Nachdem Arbeitsminister Édgar Montaño am Sonntag über Twitter zu Demonstrationen für ein Ende des Streiks aufgerufen hatte, gingen am Montag in der Stadt Santa Cruz vor allem Gewerkschaftsmitglieder und Beschäftigte des Transportsektors auf die Straße, um ihre Arbeit wieder aufnehmen zu können, und forderten den Rücktritt von Gouverneur Camacho. Es kam zu vereinzelten Zusammenstößen zwischen Demonstrierenden, von denen einige mit Stöcken bewaffnet waren, und Streikenden, die die Straßen blockierten.

Staatssekretärin María Nela Prada sieht die Zusammenstöße und die zunehmende Spaltung zwischen Gegner:innen und Befürworter:innen des Streiks vor dem Hintergrund eines durch Gouverneur Camacho befeuerten Diskurses des Hasses und des Regionalismus. Dieser bringe Gewalttaten, Diskriminierung und Rassismus gegen die indigene Bevölkerung hervor. Nach Angaben von Rocío Picanere, Sprecherin der Central Ayorea Nativa del Oriente Boliviano, kam es in einigen indigenen Ayoreo-Gemeinden zu Angriffen und Brandanschlägen.

Um eine Lösung des Konflikts zu finden, rief der Vorsitzende des Senats, Andrónico Rodríguez, "die Behörden von Santa Cruz, die Universität, die Regionalregierung und das Bürgerkomitee auf, wenn sie behaupten, Demokraten zu sein, eine Antwort auf ihre Forderung durch einen Dialog ohne Bedingungen zu suchen". Weiter mahnte er die "Entpolitisierung der Volkszählung" an, um den Streik zu beenden, der "die Ausübung grundlegender Rechte der Bürger wie Freizügigkeit, Zugang zu Gesundheit und Bildung untergräbt".

Das Ausmaß der Spannungen wird durch die Worte von Präsident Luis Arce während einer militärischen Zeremonie deutlich. Er warnte vor einer gewalttätigen Konfrontation mit dem Ziel eines ‒ nach 2019'‒ erneuten Putschversuchs rechter Gruppen. Die Streitkräfte rief er auf, "die politische Verfassung des Staates bis zum Äußersten zu verteidigen".