Brasilien genehmigt Anbau, Einfuhr und Verkauf von transgenem Weizen

Brasilien ist nach Argentinien das zweite Land weltweit, das den Anbau von HB4-Weizen erlaubt. Abgeordneter der PT: "Nun kommen Ackergifte direkt ins Brot"

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"Gen-Weizen: Nicht in unserem Brot"
"Gen-Weizen: Nicht in unserem Brot"

Brasília. Die Nationale Technische Kommission für Biosicherheit (CTNBio) in Brasilien hat nun auch den Anbau und den Verkauf von gentechnisch verändertem (GV-) HB4-Weizen genehmigt. Der Antrag wurde von dem brasilianischen Unternehmen Tropical Melhoramento e Genética in Zusammenarbeit mit dem argentinischen Unternehmen Bioceres gestellt, das den GV-Weizen entwickelt hat.

Die Zulassung durch die CTNBio folgt der des Imports und der Verwendung von transgenem Weizenmehl im November 2021. Bereits diese Entscheidung wurde von Verbraucherschutzorganisationen und Teilen des Weizensektors heftig kritisiert.

Brasilien ist damit nach Argentinien das zweite Land weltweit, in dem auch der Anbau von HB4-Weizen genehmigt ist. Auf beide Länder entfallen nach Angaben von Bioceres 90 Prozent der Weizenanbaufläche in Südamerika. Sie zählen zu den größten Agrarexportländern der Welt.

Die Entscheidung öffnet laut Bioceres nicht nur den brasilianischen Markt für diese GV-Technologie, sondern ebnet auch den Weg für die Kommerzialisierung in Argentinien. Nach Angaben des Unternehmens ermöglicht der GV-Weizen die Anpassung landwirtschaftlicher Systeme an ein extremeres Klima und bietet eine Ertragssteigerung von mehr als 40 Prozent in Umgebungen mit starkem Wasserstress. HB4-Weizen wurde demnach bereits in den USA, Kolumbien, Neuseeland, Australien, Südafrika und Nigeria als Lebens- und Futtermittel sowie in Indonesien als Futtermittel zugelassen.

Befürworter lobten die HB4-Anbauzulassung als "wichtigen Impuls für die Kulturpflanze", da die Ängste um die weltweite Nahrungsmittelversorgung und die regionale Trockenheit die Attraktivität von gentechnisch veränderten Pflanzen erhöhten. Sie spiegele eine veränderte Haltung wider, da der Klimawandel und der Krieg in der Ukraine die Besorgnis über eine weltweite Nahrungsmittelkrise verstärkten. Der Verband der Weizenindustrie (Abitrigo) erklärte nun, dass er innovative Entwicklungen unterstütze, die der Gesundheit und der Ernährungssicherheit der Bevölkerung zugute kämen.

Hingegen kritisierte Nilto Tatto, Abgeordneter der Arbeiterpartei (PT) im Parlament, nun kämen die Ackergifte direkt ins Brot. Wissenschaftler:innen und zivilgesellschaftlichen Bewegungen hielten es für ein "echtes Verbrechen", dass Brasilien neben Argentinien als einziges Land der Welt den Anbau dieser Weizensorte zugelassen habe.

Der HB4-Weizen wird als resistent gegen Trockenheit beworben und hat ein Resistenz-Gen gegen das Herbizid Glufosinat-Ammonium, das laut argentinischer Gesundheitsbehörde Senasa noch fünfzehnmal toxischer als das wahrscheinlich Krebs erregende Glyphosat ist. Wissenschaftler:innen hatten bereits anlässlich der Zulassung des GV-Weizens 2022 in Argentinien kritisiert, dass die Exposition gegenüber Glufosinat-Ammonium bei Föten zu einer verminderten Bewegungsaktivität führe, die bei Versuchen mit Säugetieren eine Verschlechterung des Gedächtnisses und des Verhaltens analog zum Autismus bewirkten. Auch belegten Forschungsergebnisse, dass das Herbizid die Qualität und das Erbgut von Säugetierspermien veränderte. In der Europäischen Union ist es verboten.

Im vergangenen Jahr veröffentlichte das brasilianische Institut für Verbraucherschutz (Idec) die zweite Ausgabe der Studie "In dieser Packung ist Gift", in der aufgezeigt wurde, dass auch Lebensmittel tierischen Ursprungs (Milch- und Fleischprodukte) Pestizidrückstände enthalten. Die erste Ausgabe von 2021 untersuchte Getränke, Kekse, Brot und Snacks und stellte fest, dass fast 60 Prozent der Produkte Pestizid-Rückstände enthielten. Das bedeutet Tatto zufolge, dass mit Sicherheit auch mehr als die Hälfte der Produkte, die mit transgenem Mehl hergestellt werden, Rückstände des gefährlichen Giftes enthielten.

Erschwerend kommt dem Parlamentarier zufolge hinzu, dass laut Recherchen von Agência Pública und Repórter Brasil während der Regierungszeit von Präsident Jair Bolsonaro zwischen 2019 und 2022 mindestens 439 Menschen an Vergiftungen durch Pestizide gestorben sind und über 14.000 Pestizid-Vergiftungen erlitten. Eine Studie der Professorin Larissa Bombardi (USP) weist darauf hin, dass auf jeden gemeldeten Fall einer Pestizidvergiftung mindestens 50 nicht gemeldete Fälle kommen.

Die HB4-Zulassung führt laut Tatto nur dazu, dass die Pestizidvergiftungen weiter zunehmen.