"Instrumentalisierung der Justiz": Venezuela lehnt Ermittlungen des IStGH ab

international_criminal_court.jpeg

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag
Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag

Caracas. Venezuelas Regierung hat die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) zurückgewiesen, dem Antrag des Anklägers Karim Khan auf Wiederaufnahme der förmlichen Untersuchung mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschheit während gewaltsamer Proteste stattzugeben.

Die Entscheidung erging wenige Tage nach Khans jüngstem Besuch in Caracas. Dabei traf er mit Präsident Nicolás Maduro zusammen und kündigte die Eröffnung eines Büros für technische Hilfe im Land an. Beide Seiten betonten den "komplementären Charakter" der Arbeit des IStGH (amerika21 berichtete).

Das in Den Haag ansässige Tribunal wird als "komplementäres" Gericht definiert, das nur in Fällen, in denen die nationalen Rechtsinstitutionen nicht in der Lage sind, gegen mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen vorzugehen, ein Verfahren einleiten soll.

Die Regierung Venezuelas hat sich bemüht zu zeigen, dass der Staat Fälle von Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Sicherheitskräfte strafrechtlich verfolgt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat dem IStGH regelmäßig Berichte vorgelegt, in denen sie über die Fortschritte bei der Strafverfolgung vor Ort informierte.

Die IStGH-Vorverfahrenskammer I war jedoch der Ansicht, dass diese Ermittlungen nicht genügten und sich gegen Täter der unteren Ebene richteten, "und daher nicht die faktischen Vorwürfe untersuchen, die den kontextuellen Elementen der Verbrechen gegen die Menschheit zugrunde liegen".

Khans stützt sich auf den Vorwurf, dass hochrangige Beamte die staatlichen Sicherheitskräfte angewiesen hätten, "in diskriminierender Absicht als Teil eines umfassenderen Musters politischer Verfolgung zu handeln", ein Verhalten, das den Tatbestand von Verbrechen gegen die Menschheit erfülle.

Die Untersuchung geht auf einen Antrag von 2018 zurück, der von einigen Ländern im Namen der rechten Opposition Venezuelas beim IStGH eingereicht wurde. Die Regierung Maduro wird darin beschuldigt, bei der Reaktion auf Proteste Verbrechen gegen die Menschheit begangen zu haben.

In den Jahren 2014 und 2017 organisierten von den USA unterstützte Oppositionsgruppen mehrere Monate lang gewalttätige Proteste, um Maduro zu stürzen. Über 100 Menschen kamen dabei ums Leben, darunter Oppositionelle, Regierungsanhänger, Polizisten und Nationalgardisten sowie unbeteiligte Passanten. Die Opposition macht alleinig die Regierung und die Sicherheitskräfte dafür verantwortlich.

Im November 2021 nahm der IStGH Ermittlungen auf. Regierung und Gerichtshof unterzeichneten damals eine Absichtserklärung zur Erleichterung der Zusammenarbeit, die in diesem Monat erneuert wurde.

Die Ermittlungen wurden im April 2022 auf Antrag Venezuelas auf der Grundlage der Komplementarität ausgesetzt, um den nationalen Behörden die Durchführung eigener Ermittlungen zu ermöglichen. Im November 2022 reichte Khan einen Antrag auf Genehmigung zur Wiederaufnahme der Ermittlungen ein.

In einer Erklärung vom Dienstag bekräftigte die venezolanische Regierung ihren Standpunkt, dass die Untersuchung politisch motiviert sei und "prangert die Instrumentalisierung der internationalen Strafrechtsmechanismen für politische Zwecke an, die mit der von den Behörden der USA geförderten Strategie des 'Regime Change' verbunden ist."

Die Regierung räumt ein, dass die Sicherheitskräfte Menschenrechtsverletzungen begangen haben, besteht aber darauf, dass die Einstufung als "Verbrechen gegen die Menschheit" nicht zutreffend ist.

Man werde gegen die Entscheidung der Kammer Berufung einlegen, heißt es abschließend.